0320 - Der Fluch von Babylon
vorbei.
Suko merkte es daran, daß sich der andere wieder bewegte und aus dem Nebel das Schwert hervorstach. Obwohl Suko nicht gerade zu den langsamen gehörte, wußte er doch, daß er der Klinge nicht entgehen konnte, wenn sie einmal geschlagen wurde.
Das tat Okastra.
Suko duckte sich noch zurück und hatte tatsächlich das Glück, nicht getroffen zu werden, weil er einfach zu schnell gewesen war.
Es war nur mehr ein Verschieben, ein Verzögern, denn der nächste Angriff ließ nicht einmal eine Sekunde auf sich warten.
Suko sah die Klinge über sich, und er bemerkte auch, wie sie in der Luft gedreht wurde.
Dann fauchte sie nach unten.
Diesmal kam der Chinese nicht mehr weg. Auch er wurde erwischt, aber er verspürte nichts.
Alles war so seltsam, so leicht, so anders, obwohl er eigentlich hätte den Kopf verlieren müssen.
Suko verschwand.
Claudia, gewissermaßen die letzte Überlebende, bekam dies mit.
Sie wich zurück, preßte ihre Hände gegen das Gesicht und schaute durch die Lücken der gespreizten Finger.
Okastra kam.
Wie schon einmal in der alten Bodega. Wie lange schien das alles zurückzuliegen, obwohl es sich nur um Stunden gehandelt hatte. Da hatte Claudia es geschafft und war ihm entkommen.
Auch den gefräßigen, mordgierigen Spinnen, doch hier in einer anderen Zeit und in einem anderen Land sah sie keine Chance. Sie drehte Okastra sogar den Rücken zu, weil sie noch einmal einen Blick auf das Meer werfen wollte.
Wie ein langer dunkler Aal schaute das U-Boot aus dem Wasser.
Es war kein Anblick der Hoffnung, eher der Verzweiflung, denn die Engländerin mußte feststellen, daß sie mit Hilfe nicht mehr rechnen konnte. Selbst den Kämpfer Suko hatte es erwischt!
Er hatte seine Kräfte unter Beweis gestellt, als es gegen die Spinnen ging. Der Reihe nach waren sie von ihm vernichtet worden.
Doch fetzt gab es auch Suko nicht mehr. Nur den Töter und sein Opfer.
Claudia Darwood war noch chancenloser als bei der ersten Begegnung. Sie wußte dies, und sie rührte sich auch nicht. Starr stand sie auf dem Fleck und schaute hinaus auf das Meer.
Dicht hinter ihr blieb Okastra stehen. Sie sah ihn nicht, aber sie wußte genau, daß er nicht mehr weiterging, denn sie spürte seine unmittelbare Nähe.
Es war wie ein Hauch des Grauens, der sie streifte, und über ihre Schultern rann ein Frösteln.
»Ich werde dich mitnehmen!« hörte sie die Stimme des Sarazenen.
»So wie die anderen auch.«
Claudia nickte nur.
»Hast du Angst?« erklang es hinter ihrem Rücken flüsternd aus dem Nebel.
»Nicht mehr.«
»Dann wartest du auf den Tod?«
»Ich… ich hasse ihn«, erwiderte Claudia mit leiser Stimme.
»Du bist schon so gut wie tot, Frau. Niemand kann ihm entrinnen, wenn ich es nicht will. In dieser Zeit und in diesem Land regiert der große Baal. Er ist ein Götze, ein mächtiger Dämon, vor dem alle auf die Knie fallen müssen. Auch ich diene ihm. Baal weiß genau, wie man die großen Feste zu seinen Ehren feiern muß. Er wird…«
»Dann töte mich!« flüsterte die Frau, obwohl es ihr schwerfiel, die Worte auszusprechen, aber sie konnte nicht anders.
»Nein, ich werde dich nicht töten. Du bist zwar schon so gut wie tot, aber ich habe dich dem Götzen geweiht. Er soll bestimmen, was mit dir geschehen wird. Ihr und die anderen seid in seine Welt eingebrochen. Deshalb sollt ihr auch die Feier zu seinen Ehren mitmachen. Ein dämonisches Fest, Baals Blutfeier…«
»Bitte, schlag zu!«
Es waren echte und ehrlich gemeinte Worte, die über die Lippen der Frau kamen. Sie wartete auf den Schlag mit dem Schwert, denn sie hatte erlebt, daß man nicht so starb, wie es eigentlich hätte sein müssen.
Vielleicht gab es noch eine Chance. Baal hatte von einem Blutfest gesprochen. Wenn er sich so sicher war, dann wollte er die Menschen nicht töten, folglich brauchte sie den Schwertstreich nicht zu fürchten.
»Du wirst nicht mehr dieselbe sein, wenn du erwachst, sondern ein Opfer für Baal…«
Diesen Satz sagte Okastra noch, dann schlug er tatsächlich zu.
Das letzte, was die Frau vernahm, war das Pfeifen der Klinge. Sie spürte noch die Berührung am Nacken, ein kurzes Zucken, mehr nicht.
Daß sich ihr Körper auflöste, sah sie nicht.
Als Nebelstreifen flatterte er davon.
Okastra aber stand da, hielt den rechten Arm hoch, und die Spitze seiner Waffe zeigte gen Himmel.
Sein aus der Nebelwolke dringendes Gelächter hallte über den einsamen Strand…
***
Der Dolch, auf den ich mich stets
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