0320 - Der Fluch von Babylon
sahen Suko und seine Mitgefangenen in Gesichter voller Verzweiflung und Pein, die gleichzeitig ein gerüttelt Maß an Lethargie aufwiesen, für Suko ein Beweis, daß die Menschen ihren Widerstandswillen unter den unerträglichen Bedingungen aufgegeben hatten.
Leere Augen, kaum noch Hoffnung. Müde Blicke, hier und da ein leises Weinen.
Der Reihe nach zogen sie an den Gefesselten vorbei. Manche Blicke flehten um Wasser. Münder standen offen, schwer schnappten die Menschen nach Luft, und wie königliche Herrscher schritten die Bewacher neben ihnen her, die Peitschen stets zum Schlag erhoben.
Von den Gefangenen aus der Zukunft sprach niemand. Das Grauen hatte sie stumm gemacht, und so zog die Reihe der Verzweiflung an ihnen vorbei. Aus der Geschichte wußte Suko, daß es dennoch Hoffnung gab, aber hätte er es den Gefangenen in diesem Augenblick sagen können?
Nein, sie hätten ihn nicht verstanden.
Und so zogen sie weiter. Stumm. Gepeinigt von Schmerz und Qual.
Seelisch und körperlich am Ende.
Irgendwann hörte die Reihe auf, und Suko sowie die anderen waren froh darüber.
Wieder einmal bedauerte der Chinese es, gefesselt zu sein. Als freier Mensch hätte er sich den Bewacher entgegengestellt und einige von ihnen zur Hölle geschickt.
So konnte er nichts tun und nur darauf warten, was Okastra noch alles vorhatte.
Die Gefangenen verschwanden. Zurück blieb das Rasseln der Ketten, der Geruch nach Schweiß, Ausscheidungen, Blut und Tod…
»Mein Gott, daß es so etwas gibt«, flüsterte Winter, der Erste Offizier, und schauderte.
»Es ist Geschichte, mein Lieber«, erwiderte Suko. Er dachte wieder an Claudia und deren Schreien. Suko mußte einfach wissen, wie ihr zumute war, deshalb rief er auch ihren Namen.
»Ja, ich bin hier…«
»Was haben sie dir getan, Mädchen?«
Claudia Darwood gab die Antwort nicht sofort. Sie schluckte ein paarmal und sagte mit stockender Stimme: »Sie faßten mich an. Überall, weißt du. Ich kam mir vor wie eine Sklavin, die auf dem Markt verkauft werden soll…«
»Unter Umständen haben sie das auch mit ihr vor«, wisperte Winter und blickte Suko beschwörend an.
Der schüttelte nur den Kopf und wurde aufmerksam, als sich eine Gestalt dem Feuer näherte.
Unheimlich sah sie aus, denn zunächst wallten Nebelschwaden hoch.
Erst als sie näherkam und dicht vor dem Blutaltar stehenblieb, erkannte die Gefangenen die glühenden Augen und wußten, daß Okastra gekommen war.
Er stand da, sagte nichts und beobachtete nur. Ein jeder fühlte den Blick seiner mörderischen Augen auf sich gerichtet. Abschätzend und taxierend wie auf einem Sklavenmarkt.
Aus dem Nebel stach die Schwertspitze hervor, und sie war dabei auf Suko gerichtet. Er wurde von Okastra auch angesprochen, als dieser sich in Bewegung setzte und auf ihn zukam.
Kein Geräusch war zu hören.
In einer nahezu geisterhaften Lautlosigkeit näherte sich der Unheimliche dem Chinesen und blieb erst stehen, als ihn ein halber Schritt von Suko trennte.
Fast wurde der Inspektor von der Schwertklinge berührt.
Suko spürte die Aura des Bösen, die ihn streifte. In diesem Lager gab es nichts Gutes, hier herrschte der böse Geist des Götzen Baal.
Durch Okastras Anwesenheit wurde dies besonders deutlich.
Dann begann er zu sprechen und schleuderte seine Worte aus dem jetzt durch die Flammen rötlich schimmernden Nebel dem Inspektor entgegen.
»Du weißt, was dich hier erwartet. Du hast die Menschen gesehen und du hast den Altar…«
»Spar dir deine Worte«, unterbrach Suko ihn. »Die Geschichte hat uns gelehrt, daß alles anders gekommen ist.«
»Ja, stimmt. Nur werdet ihr davon nichts mehr haben. Das kann ich euch versprechen. Damit ihr wißt, was euch bevorsteht, werde ich zu Baals Ehren ein Exempel statuieren. Unter den Gefangenen gibt es einen Aufrührer namens Gideon. Ihn und seine Frau habe ich mir ausgesucht, um sie dem großen Baal zu opfern. Sie werden gleich gebracht und auf den Blutaltar gelegt. Dort trifft sie die Rache des großen Götzen. Gideon und seine Frau Judith werden schreien, wenn die Klinge meines Schwertes über ihre nackte Haut fährt und ihr Blut die Steine des Altars benetzen wird. Wenn sie ihr Leben ausgehaucht haben, seid ihr an der Reihe. Zuerst nehme ich mir die Frau vor, dann dich, Suko, und anschließend…«
»Es reicht!« sagte der Chinese.
Okastra lachte nur. »Dir gefällt es nicht, daß ich zur Ehre Baals rede, wie? Kann ich mir vorstellen, aber ich bin dem großen Götzen noch
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