0321 - Freitag - Mordtag
seinen röchelnden Laut, sah ihn bleich werden und wanken.
Rasch stützte ich ihn ab.
»Fühlt er sich nicht wohl, der kleine Pinscher?« Diese Frage hatte Yvon gestellt. Er grinste breit und weidete sich an unserem Erstaunen.
Wir reagierten nicht auf die provozierende Bemerkung des Mannes.
Suko ließ den Gefangenen nicht aus den Augen, während ich Janssen gegen die Tür lehnte. Dort blieb er stehen und holte ein paarmal tief Luft. Der Anblick hatte ihn geschockt. Sein Gesicht erinnerte mich in der Farbe an frisches Schmalz. Nur mühsam erholte er sich, während Yvon grinsend auf der Bettkante hockte, wobei er ein Bein über das andere schlug und sich zurücklehnte, bis er mit dem Rücken die Wand berührte. »Was verschafft mir eigentlich die Ehre des Besuchs. Sie haben sich doch bei mir nie blicken lassen, Janssen.«
»Das war auch nicht nötig.«
»Aber jetzt, wie?«
»Ja, Yvon.«
»Und weshalb kommen Sie mich besuchen?«
Wir mischten uns zunächst einmal nicht ein, sondern überließen dem Hausherrn die Initiative. »Wo haben Sie gesteckt, Yvon?«
Der Freitags-Mörder drückte seinen Oberkörper wieder nach vorn.
»Wie meinen Sie das?«
»Sie waren am heutigen Morgen beim ersten Kontrollgang nicht in der Zelle.«
»Wo sollte ich gewesen sein?«
»Das möchte ich gern von Ihnen wissen.«
Zack Yvon lachte. Und dieses Lachen zeigte uns an, wie köstlich er sich über uns amüsierte. »So etwas Verrücktes habe ich noch nie gehört. Ich war seit dem heutigen Morgen hier in der Zelle. Fragen Sie doch Ihre Schinder?«
»Die Wärter haben Sie nicht gesehen. Auch als ich kam, waren Sie nicht anwesend.«
»Dann seid ihr alle blind!«
Der Zuchthausdirektor warf mir einen hilfesuchenden Blick zu, so daß ich mich genötigt sah, einzugreifen. »Raus mit der Sprache! Yvon, was ist wirklich passiert?«
Er verengte die Augen und nickte in meine Richtung. »Wer bist du denn, Macker?«
»Oberinspektor Sinclair von Scotland Yard, Das ist mein Kollege Suko.«
»Greift ihr jetzt auf Chinks zurück?«
Suko schluckte die Beleidigung, ohne ein Wort zu sagen. Nur in seinen Augen blitzte es für einen Moment gefährlich auf.
Dieser Typ da auf dem Bett gab sich irgendwie zu sicher. So wie er reagierte kein Mensch, falls er nicht noch einen Trumpf in der Hinterhand hielt. Yvon schien ihn zu haben, nur rückte er damit nicht heraus.
Er sah wirklich aus, wie man sich den Gewaltverbrecher vorstellte.
Ich kannte Killer und Mörder, denen sah man die Taten nicht an. Bei Yvon war das etwas anderes. Seine Gestalt war kompakt. Sehr muskulös, er schien Probleme nur mit der reinen Kraft zu lösen. Darauf deuteten auch die Hände mit den dicken Fingern hin. Einen Hals besaß er kaum, dafür einen wuchtigen Rammschädel. Das Haar war dunkel. Er trug es sehr kurz geschnitten und leicht gekräuselt.
Scharf sprang die halbrunde Nase aus seinem Gesicht hervor. Mit ihrer Spitze befand sie sich fast auf der gleichen Höhe mit der wulstigen Oberlippe. Das Kinn war klein, wirkte trotzdem eckig. Wie bei fast allen Gefangenen zeigte auch seine Haut den berühmten Grauschimmer der Zuchthäusler. Die Augen waren dunkel, klein, und die Pupillen blickten stets lauernd und tückisch.
Ein unangenehmer Zeitgenosse, der von einem Richter lebenslang hinter Gitter geschickt worden war. Er saß auch in seiner Zelle, doch vor einigen Stunden war dies nicht der Fall gewesen.
»Wie sind Sie hier herausgekommen, Yvon?«
»Verdammt, ich war hier.«
»Das glaube ich Ihnen nicht.«
»Beweis mir das Gegenteil, Bulle!«
»Wahrscheinlich werde ich das.«
Bei seiner Antwort klang die Stimme provozierend. »Wie denn? Wie willst du das schaffen?«
»Stehen Sie auf!«
»Und wenn nicht?«
»Werden wir Sie zwingen, Yvon«, erwiderte ich hart. »Sie sollten jetzt keine Ausflüchte versuchen. Sie würden Ihnen schwerlich bekommen. Ich rechne sogar damit, daß Sie Trümpfe in der Hinterhand halten, aber vertrauen Sie nur nicht zu sehr darauf, das könnte nämlich leicht ins Auge gehen. Auch Schwarze Magie ist nicht allmächtig.«
Ich hatte den letzten Satz bewußt hinzugefügt und lauerte auf die Reaktion des Zuchthäuslers. Yvon war zusammengezuckt. Kurz nur, von mir und Suko nicht zu übersehen, während Janssen wahrscheinlich gar nicht richtig hingehört hatte.
»Wie kommst du denn auf Schwarze Magie, Bulle?«
»Weil ich mich damit beschäftige, ganz einfach.«
»Das ist lächerlich.«
»Stehen Sie auf!« Ich war ziemlich dicht an ihn
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