0321 - Freitag - Mordtag
verkantet.
Um Zeit zu sparen, sprangen wir kurzerhand über den Tisch hinweg und duckten uns dabei, um nicht mit den Köpfen an den oberen Türrahmen zu stoßen. Natürlich hatte Zack Yvon den kleinen Vorraum längst durchquert. Trotz der zweiten geschlossenen Tür vernahmen wir die Schritte des Flüchtenden auf der Galerie. Deren Unterteil bestand aus Blech, und die Sohlen der Schuhe hämmerten darauf ihren stakkatoartigen Rhythmus. Er wurde lauter, als wir die Tür aufgerissen hatten und die Galerie überblicken konnten.
Man konnte auf der Galerie um die inneren Mauern des Trakts herumlaufen. Natürlich gab es Verbindungsgänge in andere Teile und Trakte, doch durch sie konnte Yvon nicht entfliehen, denn jeder Gang wurde von einer verschlossenen Tür versperrt.
Der Zuchthäusler mußte auf der Galerie bleiben oder aber über ein Gitter hechten und in die Tiefe springen, wobei er zwei Stockwerke weiter unten aufklatschte.
Das würde er nur mit Mühe überleben.
Suko und ich verstanden uns ohne Worte. Es war am besten, wenn wir den Mann in die Zange nahmen. Suko schlug den linken Weg ein, ich nahm den rechten.
Yvons Vorsprung war gewachsen. Ware eine der Türen offen gewesen, hätte er uns entkommen können. So war er nicht mehr als ein Gefangener. Wir sahen und hörten ihn rennen. Er lief dicht am Geländer entlang und riskierte es auch, sich umzudrehen.
Suko sah er zuerst, weil mein Partner auf der linken Seite der Galerie entlanglief und bei der Kopfbewegung des Gefangenen in dessen Blickfeld geriet.
Yvon stoppte.
Da rief ich ihn an. »Sie haben keine Chance. Kommen Sie zurück, Yvon! Und zwar sofort!«
Er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Mal schaute er nach rechts, dann nach links. Unter der Decke brannten starke Strahler.
Ihr Licht fiel auch auf das Gesicht des Gefangenen, so daß wir trotz der ziemlich großen Entfernung seine panikverzerrten Züge erkennen konnten. Dieser Mann stand kurz vor dem Durchdrehen.
Ich war weitergelaufen und wiederholte meinen Befehl noch einmal, während Suko einen Bogen schlug. Mein Freund rannte nicht mehr.
Seine Bewegungen waren flüssig und gleitend geworden, er konnte sich Zeit lassen.
»Hau ab!« schrie Yvon. »Verschwinde, du mieser Bulle! Ich drehe dir den Hals um!«
Diese Drohungen beeindruckten weder Suko noch mich. Ich dachte nicht daran, meine Schritte zu stoppen. Die Beretta ließ ich stecken. Mit einer Kugel wollte ich Yvon nur im Notfall stoppen.
Längs der beiden Galerieseiten befanden sich die Türen zu den Zellen.
Die Schreierei war nicht ungehört geblieben. Andere Gefangene wurden aufmerksam. Sie wollten wissen, was geschehen war, brüllten Fragen und hämmerten auch von innen gegen die Türen ihrer Zellen.
Zuerst waren es nur wenige, danach fielen immer mehr ein, so daß dieses Trommeln einen gewissen Rhythmus bekam, der jeden meiner Schritte begleitete.
Ich vernahm auch hinter mir das Geräusch von Tritten und sah den Zuchthausdirektor heranstürmen. »Ich habe Alarm gegeben!« schrie er.
»Wir werden Yvon…«
»Nein, ich hole ihn mir.«
Keuchend blieb Janssen neben mir stehen. Sein Hals zeigte Druckstellen. »Verdammt, Sinclair, das ist eine Revolte, der Gefangene…«
»Gehört mir!«
Es war nicht mehr zu stoppen. Hinter den zu den Gängen führenden Gittertüren vernahm ich heftige Schritte und das harte Trampeln der genagelten Stiefelsohlen.
Die Wachtposten erschienen. Nicht nur die Koppel ihrer Uniformen glänzten, auch der Waffenstahl, denn die Männer trugen Gewehre bei sich und legten noch hinter den Gittertüren stehend auf den Ausgebrochenen an. Dabei hatten sie eine vorschriftsmäßige Haltung eingenommen, und schon dröhnte eine Lautsprecherstimme durch das Innere des Trakts.
»Heben Sie die Hände, Yvon, und kommen Sie zurück!«
Es war grundfalsch, was die Kerle da anstellten. Yvon würde sich nie ergeben. Er befand sich in einer Verfassung, wo ihm alles egal war. Das mußten die Männer einsehen. Nur konnte ich ihnen keine Befehle geben, sondern Janssen.
»Stoppen Sie diesen Wahnsinn!« fuhr ich den Zuchthausdirektor an. »Zack Yvon dreht durch.«
»Was will er gegen die Waffen anrichten?«
»Sie dürfen ihn nicht töten!«
»Dann soll er sich ergeben, verdammt!« Bei den Worten blinzelte Janssen mit den Augen, denn er hatte seine Brille verloren.
Wahrscheinlich lag sie zwischen den Trümmern des Betts.
»Sie dürfen ihn nicht töten. Ich brauche ihn noch. Sein Verschwinden…« Meine weiteren Worte
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