0321 - Freitag - Mordtag
gingen abermals im Klang der Lautsprecherstimme unter. Selbst die anderen Gefangenen hatten aufgehört, gegen die Türen zu schlagen. Die verstärkte Stimme brüllte alles nieder.
Zack Yvon wurde aufgefordert, sich flach auf den Boden zu legen, wobei er die Arme und Beine ausstrecken sollte. Tat er es nicht, wollte man ihn zwingen. Und wie das aussah, konnte ich mir vorstellen. In vielen Zuchthäusern wurde nicht lange gefackelt. Sie würden Yvon zwar nicht töten, zumindest anschießen.
Auch das wollte ich nicht.
Da sich der Direktor leider uneinsichtig zeigte – wahrscheinlich haßte er Yvon wegen dessen Attacke auf ihn – blieb mir nichts anderes übrig, als die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Ich wollte mich als Schild zwischen Yvon und die Wächter stellen.
Erst als ich einige Yards zurückgelegt hatte, begriff Janssen, was ich vorhatte. »Mensch, Sinclair, kommen Sie zurück. Sie laufen in Ihr Verderben. Sie können nicht…«
Und ob ich konnte. Solche Worte hielten mich nicht auf. Ich hörte zwar Janssens Schritte und erwartete auch, daß er mich zurückziehen würde, nur machten ihm seine Leute einen Strich durch die Rechnung, denn beim nächsten Ruf wurde er angesprochen.
»Sir, halten Sie diesen Wähnsinnigen ab. Der läuft uns in die Schußlinie. Und der andere auch!«
Ich konnte mir ein knappes Grinsen nicht verkneifen, weil mein Freund Suko ebenso dachte wie ich. Er hatte sich dort aufgebaut, wo Längs- und Breitseite der Galerie zusammenstießen. Hinter ihm befand sich der Beginn eines Gangs mit der entsprechenden Gittertür, hinter der zwei Scharfschützen lauerten.
Noch hatten sie die Tür nicht geöffnet. Sie würden es wohl dann tun, wenn der Gefangene ihren Befehlen gefolgt war.
Da würden sie lange warten können.
Ich hatte nur noch Augen für Zack Yvon. Und auch für seine rechte Hand, die dunkler war als die linke. Die rechte lag auf dem Geländer.
Sie kam mir vor wie die eines Negers. Manchmal zuckten auch die Finger, als würden sie von einem bösen Schmerz durchdrungen.
Uns trennten noch vier Schritte.
Die Lautsprecherstimmen waren verstummt. Da sich Janssen auch nicht rührte, wußten die Wächter nicht, wie sie reagieren sollten. Sie blieben passiv und warteten ab.
Zack Yvon zitterte. Auf seinem Gesicht lag Schweiß. Die linke Wange war angeschwollen. Dort mußte ihn Suko erwischt haben.
Die Distanz zwischen uns schrumpfte noch mehr zusammen, während ich zugleich den Kopf schüttelte. »Es hat keinen Sinn, Zack, du kommst hier nicht weg!«
»Verdammt, Bulle, ich…«
»Laß es doch.« Ich sprach zu ihm wie die Mutter zu ihrem kranken Kind. »Wir sind uns einig. Ich will gar nicht viel von dir. Nur einige Antworten auf meine Fragen.«
»Ich kann sie dir nicht geben!«
»Weshalb nicht?«
»Weil ich, ach verflucht!«
»Du warst draußen, nicht?«
»Ja, ich war draußen!« brüllte er mir entgegen. »Ich war am Morgen draußen, und werde immer wieder…«
»Wer hat dir geholfen?«
»Bleib stehen!«
Yvon hatte gesehen, daß ich sehr nahe an ihn herangekommen war. Er streckte seinen Arm aus und wies mit dem Zeigefinger auf meine Brust.
»Keinen Schritt weiter!«
Ich wollte ihn nicht noch mehr reizen und stoppte tatsächlich. Er hatte geredet, möglicherweise machte er weiter, wenn ich ihn nicht stärker provozierte.
»Wer hat dich rausgeholt, Junge?«
»Die Stimme!« flüsterte er. »Es war in der Nacht. Sie sprach mit mir…«
»Und?«
Plötzlich starrte er mich an. Seine Augen wirkten seltsam tot, wie gläserne Murmeln, die man mit einer schwarzen Füllung versehen hatte.
Dieser Umschwung kam nicht so ohne weiteres. Er mußte einen Grund gehabt haben. Wahrscheinlich hatte die andere Seite, von der er mir erzählte, unsichtbar für mich eingegriffen.
Eine andere Lösung konnte ich mir nicht vorstellen.
»Die Stimme!« flüsterte ich. »Was sagte sie zu dir?« Ich konnte mir dieses leise Sprechen erlauben, denn um uns herum hatte sich eine fast atemlose Stille ausgebreitet.
»Nein!« gab er ebenso leise zurück. »Ich kann dir nichts erklären. Die Stimme lockte mich nur. Sie war da, und sie wird auch immer da sein, wenn sie will. Ich… ich … nein!« brüllte er plötzlich. »Ich verrate dich nicht! Wirklich nicht!«
Dann tat er etwas Dummes. Ich hätte eigentlich damit rechnen müssen, doch die Schnelligkeit seiner Bewegung überrascht mich.
Seine dunklere rechte Hand lag bereits auf dem Geländer. Damit stützte er sich ab und gab sich auch den
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