0323 - Ich jagte das »Blaue Gesicht«
notwendigen Ausrüstungsgegenständen, darunter Tränengashandgranaten, Gewehre und Ferngläser. Bevor wir abrückten, rief ich bei Hasting an und erkundigte mich bei meinem Kollegen Parker, der jetzt in der Millionärsvilla Wache hielt und auf Fletchers Anruf wartete, ob sich der Mörder wieder gemeldet habe. Das war nicht der Fall.
Es wurde bereits dämmrig in den Wolkenkratzerschluchten des unteren Manhattan, als wir die Auffahrt der Brooklyn Bridge erreichten und dann über den East River nach New Yorks größtem Stadtteil, nach Brooklyn, rollten. Phillip Morgan saß neben mir im ersten Wagen. Er war sehr blaß, krallte nervös die Hände ineinander und nagte an der Unterlippe.
In der John Street, einer Parallelstraße zur Marshai Street, stoppten wir. Morgan und ich stiegen aus. Auf meiner Uhr war es kurz vor neun. Morgan führte mich durch eine Seitengasse an einem großen düsteren Häuserblock vorbei. Wir erreichten die Marshai Street und blieben hinter einem Lieferwagen stehen.
»Dort«, sagte Morgan und deutete mit einer Kopfbewegung an, welches Haus er meinte. Es war ein kleiner Kasten mit grünen Fensterläden, von denen die Farbö blätterte. Er stand in der Mitte eines Gartens, der nicht viel größer war als ein Tennisplatz und nur mickriges Grün zeigte. Ein paar dürre Büsche, etwas Unkraut, einige Nachtschattengewächse — das war alles. Die Rückfrpnt des Gartens wurde begrenzt von einer niedrigen verwahrlosten Backsteinmauer. Dahinter, ungefähr zwei Yard tiefer, floß die schmutzigbraune Brühe des East River. Vorn hatte das Haus vier Fenster. Zwei im Parterre, zwei im ersten Stock. Hinter keinem der Fenster brannte Licht, obwohl es jetzt schon ziemlich dunkel war.
»Kommen Sie, wir gehen zurück«, sagte ich zu Morgan. Wir schlenderten in die Seitengasse und blieben hinter der nächsten Hausecke stehen. »In welchem Haus wohnen Sie?« fragte ich den jungen Mann. Linda Evolas Haus lag jetzt nicht mehr in unserem Blickfeld.
Morgan streckte die Hand aus. »Da hinten das fünfstöckige Gebäude. Mein Zimmer liegt im vierten Stock. Es ist ein Eckzimmer. Das eine Fenster weist auf den East River, das andere hinüber auf das Nachbargrundstück, auf Lindas Haus.«
Während wir die John Street zurücktrabten, wo die Kollegen in den Wagen warteten, sagte ich zu Morgan: »Bevor wir irgend etwas unternehmen, müssen wir wissen, ob sich Fletcher noch im Haus befindet. Wird es unverdächtig aussehen, wenn Sie noch mal bei Ihrer Braut klingeln?«
»Das ist völlig unverdächtig. Linda wird dem Kerl bestimmt inzwischen erzählt haben, wie wir zueinander stehen. Ich meine, es würde viel eher auffallen, wenn ich mich nicht weiter um sie kümmere.«
»Sie müssen sich aber zusammennehmen. Nichts darf verraten, daß Sie Bescheid wissen.«
»Ich werde es schaffen. Ich muß mich davon überzeugen, daß Linda nichts geschehen ist.«
Wir kamen bei den Kollegen an, und ich instruierte sie kurz über unser Vorhaben. Dann ging ich mit Morgan zurück. Vor der Einmündung in die Marshai Street blieb ich stehen, klopfte dem jungen Mann ermutigend auf die Schulter und sagte: »Ich warte hier auf Sie. Verhalten Sie sich ganz natürlich, aber heucheln Sie keine Gleichgültigkeit. Das wäre der Situation nicht angepaßt und daher verdächtig. Am besten ist, Sie fragen, ob sie einen Arzt braucht.«
Morgan nickte und blickte düster vor sich hin. Dann strafften sich seine Schultern., er sah mich an und lächelte verkrampft. »Bis gleich, Mr. Cotton.«
Ich lehnte mich an die Hauswand und zündete mir eine Zigarette an. Nachdem ich den ersten Zug gemacht hatte, beugte ich mich vor, schob den Kopf um die Ecke und blickte Morgan nach. Er überquerte gerade die Straße und war nur noch wenige Yard von dem Gartentor des Grundstücks entfernt. Jetzt öffnete er es, schritt durch den Vorgarten, erreichte die Haustür und streckte die Hand aus. Wahrscheinlich drückte er jetzt auf den Klingelknopf. Morgan ließ die Hand wieder sinken und wartete. Einige Sekunden vergingen. Ich sah den jungen Mann von hinten im Halbprofil. Er stand so vor der Tür, daß ich die Seite, auf der sich die Klinke befand, nicht sehen konnte.
Plötzlich schwang die Tür auf. Nicht weit. Nur einen Spalt, der breit genug war, daß ein Mann durchschlüpfen konnte. Morgan stolperte einen Schritt nach vorn, stützte sich für einen Moment am Jürbalken und verschwand dann so schnell durch den Spalt, als werde er in das Haus hineingerissen. Sofort
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