0323 - Ich jagte das »Blaue Gesicht«
würde. Er sieht gräßlich aus.«
»Was wollte er von Ihnen?«
»Ich soll ihm zur Flucht verhelfen.«
»Erzählen Sie mal der Reihe nach.«
»Er riß mich also in den Flur, hielt mich mit der Linken an der Brust gepackt und drückte mir mit der anderen Hand die Mündung einer schweren Pistole gegen den Magen. Er befahl mir, still zu sein, und stieß mich dann in das Hinterzimmer. Er knipste das Licht an. Die Vorhänge waren zugezogen. Linda saß in einem Sessel. Sie wahr sehr blaß und hatte geweint. Ihre Augen waren rot.«
»Hoffentlich haben Sie erschreckt ausgesehen?«
»Ich glaube ja. Ich brauchte mich nicht mal zu verstellen. Denn daß mich dieser Fletcher kurzerhand ins Haus zerrte, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.«
»Wie sah Fletchers Pistole aus?« Morgan zuckte die Achseln. »Ich verstehe nicht viel davon. Es war ein großes schweres Ding. Ich glaube, eine Automatic.«
Ich nickte. »Es ist vermutlich die Waffe eines Revierpolizisten, dessen Leiche man vor kurzer Zeit im East River gefunden hat.«
»Ist Fletcher auch für diesen Mord verantwortlich?«
»Es ist anzunehmen. Fletcher ging es in diesem Falle wahrscheinlich darum, in den Besitz einer Pistole zu gelangen.«
Morgan warf den Stummel seiner Zigarette auf die Straße. Ein paar Funken sprühten auf. »Ich soll dieser Bestie einen Wagen besorgen, Mr. Cotton. Einen schweren unauffälligen Tourenwagen. Vollgetankt. Ich soll ihn bei einem Autoverleih besorgen und hierherbringen. Fletcher will damit aus New York verschwinden. Und Linda will er als Geisel mitnehmen. Er drohte mir. Falls ich es mir einfallen ließe, zur Polizei zu gehen, oder falls ich versuchen würde, ihn hereinzulegen, würde er Linda sofort erstechen.«
Ich schwieg.
»Ich soll den Wagen in den Garten fahren«, fuhr Morgan fort, »bis dicht an die Haustür. Ich soll alle Lichter ausschalten und mich dann verziehen. Fletcher sagte, er werde Linda fesseln und sie über der Schulter tragen, wenn er das Haus verläßt. Er sagte, er werde ein Messer in der Hand haben. Und falls er irgend etwas Verdächtiges bemerkt, werde er meine Braut sofort erstechen. Mr. Cotton, Sie müssen den Kerl entkommen lassen. Sonst bringt er Linda um. Sie müssen ihn…«
»Sie können beruhigt sein«, unterbrach ich ihn. »Wir werden alles vermeiden, was das Leben Ihrer Braut gefährden kann.«
Wir gingen zu den Kollegen zurück. Als wir 'ankamen, stieg Phil aus dem Wagen, zog mich beiseite und sagte: »Parker hat im Distriktgebäude angerufen. Wir haben soeben über Sprechfunk Nachricht erhalten. Fletcher hat sich gemeldet und Hasting aufgefordert, mit dem Geld genau drei Stunden nach Mitternacht an der George Washington Bridge zu sein, und zwar am westlichen Ufer.«
Die George Washington Brücke verbindet die Bronx mit Fort Lee und führt über den Hudson. Von der Marshai Street gibt es einen bequemen Weg bis dorthin: den Highway Nummer 278, der an der Marshai Street vorbeiläuft, durch das nördliche Brooklyn und durch Queens über die Hell Gate, die bis nach Bronx führt. Dort geht er in den Highway Nummer 87 über, von dem aus man auf kurzem Weg zu der Brücke gelangt. Falls Fletcher vorhatte, diese Schnellverkehrsstraße zu benutzen, konnte er es bis drei Uhr morgens bequem bis zum Treffpunkt schaffen.
Ich erzählte Phil, welchen Auftrag Morgan von dem Mörder erhalten habe. »Wir müssen uns beeilen«, sagte ich, »denn ohne Vorbereitungen geht es nicht.«
Ich erläuterte Phil meinen Plan. Als ich geendet hatte, schüttelte mein Freund den Kopf. »Das ist unmöglich, Jerry. Das hältst du nicht aus.«
»Es muß sein«, erwiderte ich. »Auf andere Weise geht es nicht. Unsere Chancen sind zu gering.«
***
Während der nächsten halben Stunde arbeitete der New Yorker FBI auf Hochtouren. Sämtliche Autoverleihfirmen wurden angerufen. Und es dauerte nicht lange, bis man den von mir gesuchten Wagentyp hatte, ein altes, schon klappriges Ford-Modell, das serienmäßig nicht mehr hergestellt wird, das für mein Vorhaben aber einen unschätzbaren Vorteil bot: es war sehr hochbeinig. Der Zwischenraum vom Boden bis zum unteren Rand der Karosserie maß fast einen halben Yard.
Der Ford wurde auf den Namen Phillip Morgan gemietet. Wir mußten das tun — für den Fall, daß Fletcher telefonisch Rücksprache hielt. Morgan erhielt 500 Dollar aus der Kasse des FBI, die der junge Mann bei dem Autoverleiher als Sicherheitssumme hinterlegte. Dann fuhr Morgan den Wagen in den Hof des
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