0325 - Zerberus, der Höllenhund
Ignatius überbrückte ihre Verlegenheit mit einer Frage. »Die lange Reise hat mich durstig gemacht. Wenn es Ihnen möglich wäre, hätte ich gern einen Schluck zu trinken.« Er hatte den Koffer abgestellt und wurde von Sheila in den großen Wohnraum geleitet.
»Was kann ich Ihnen anbieten?«
»Sodawasser, wenn Sie haben.«
»Natürlich.« Sheila wollte schon abdrehen, als die Stimme des Paters sie aufhielt.
»Warten Sie noch, Mrs. Conolly! Zuvor hätte ich gern einen doppelten Whisky.«
»Wirklich?«
»Ja. Ist das so ungewöhnlich?«
»Nein, nein, sicher nicht. Ich meine nur…«
»Ah, Sie denken, weil ich ein Geistlicher bin, da könnte ich nichts vertragen.«
»So ähnlich.«
»Keine Angst. Wenn man es nicht übertreibt, wirkt ein guter Schluck oft Wunder.«
»Wie Sie meinen, Father. Bourbon oder Scotch?«
»Bourbon! Was sagen Sie da? Um Himmels willen, nein! Ich bin doch kein Amerikaner. Als Schotte trinke ich Scotch.«
»Sorry, ich vergaß.« Sheila gefiel die Art des Mannes. Sie schenkte gleich einen Dreifachen ein, und der Pater nickte zufrieden. Dann brachte sie die Flasche mit dem Sodawasser. Kaum hatte sie diese abgestellt, als Johnnys helle Stimme durch das Haus schallte.
»Soll ich auch die Haare waschen, Mummy?«
Sheila verdrehte die Augen. »Natürlich, du Schmutzfink.« Sie wandte sich wieder ihrem Besucher zu. »Es ist jedesmal das gleiche. Da kann man den Kindern so oft sagen, daß sie das oder das zu tun haben, sie richten sich einfach nicht danach.«
»Na ja, es sind eben Kinder. Ich kenne Erwachsene, die sind wesentlich schlimmer.« Er drehte das Glas zwischen den Händen.
»Nehmen Sie, auch einen Schluck, Mrs. Conolly?«
»Nein, danke, ich habe schon drei Gläser Martini mit meinen Freundinnen getrunken.«
»Sie hatten Besuch?«
»Ja.«
»Dann auf Ihr Wohl!« Pater Ignatius lächelte und leerte das Glas in einem Zug. Er mußte wirklich Durst haben. Genießerisch verdrehte er die Augen, bevor er sagte: »Ein wirklich guter Stoff.«
»Das sagt mein Mann auch immer.«
»Stimmt, Ihr Mann. Für ihn habe ich auch Munition mitgebracht. Sie stehen ja ebenfalls auf der Abschußliste finsterer Mächte.«
»Leider.«
»Wenn man sich zu wehren weiß und Gottvertrauen hat, übersteht man auch dies.« Aus den Worten des Paters sprach ein großer Optimismus.
Er schenkte Sodawasser ein und trank das Glas aus. »So«, sagte er, »jetzt geht es mir besser.« Dann holte er tief Luft. »Hat Ihr Mann Ihnen davon erzählt, daß ich bei Ihnen übernachten werde?«
»Das hat er.«
»Sie haben hoffentlich nichts dagegen?«
»Nein, überhaupt nicht.«
»Dann bin ich beruhigt.«
»Nur John Sinclair und Suko sind nicht da«, sagte Sheila.
»Ja, ich hörte es, als ich beim Yard anrief. Die beiden treiben sich irgendwo in Asien herum.«
Sheila hatte ebenfalls Platz genommen. Sie saß dem Pater gegenüber.
»In Hongkong«, präzisierte sie.
Father Ignatius lächelte. »Hat Ihr Mann da nicht Sehnsucht bekommen?«
Sheila winkte ab. »Um Himmels willen, erinnern Sie mich nicht an das Thema. Natürlich wäre Bill gern mitgefahren. Wenn man Familie hat, geht das nicht immer.«
»Das ist klar.«
»Nur scheint in Hongkong etwas schiefgelaufen zu sein«, bemerkte Sheila mit ein wenig gepreßt klingender Stimme.
»Wieso?«
»John und Suko hätten eigentlich schon längst zurücksein müssen. Ich mache mir Sorgen.«
Der Pater winkte ab und nahm einen Schluck Whisky. »Die werden es schon schaffen. Ich bin Optimist und sehe der Zukunft im Gegensatz zu vielen anderen, auch jüngeren Menschen, positiv entgegen.«
»Obwohl Sie schon so viel hinter sich haben?«
Der Pater nickte. »Gerade deshalb. Es gibt für mich immer den Weg nach oben, nicht den umgekehrten. Damit meine ich keine finanziellen Dinge, sondern die moralischen, wenn Sie verstehen.«
»Natürlich…«
Father Ignatius wechselte das Thema. »Wie haben Sie sich die Absicherung des Hauses denn vorgestellt?« fragte er und schaute sich dabei sorgfältig um.
»Da müssen Sie mit meinem Mann reden. Ich halte mich da raus.«
Sheila blickte auf die Uhr. »Wo er nur wieder bleibt? Immer wenn er zu seinen alten Kollegen fährt, versackt er. Ob ich mal anrufe?«
Der Pater winkte ab. »Nein, lassen Sie mal. Ein Mann braucht einen kleinen Raum an Freiheit. Es sähe dumm aus, wenn Sie ihm nachtelefonierten, wirklich.«
»Ja, Sie haben recht.« Sheila hob die Schultern. »Dennoch müssen Sie mich verstehen. Wir leben ja nicht wie normale
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