0328 - Die Werwolf-Schlucht
Auch nicht seine Diener.«
»Die Bestien, die töteten?«
»Genau. Sie lebten noch hier.«
»Und sind nicht entdeckt worden?«
»Nein. Weder von mir noch von den Wissenschaftlern, die auf der Insel arbeiteten. Es ging nicht, denn die Wölfe waren im Gestein der Insel eingeschlossen.«
Die Überraschungen rissen nicht ab. Selbst Suko, sonst immer sehr beherrscht, konnte es kaum fassen und schüttelte den Kopf. »Wie ist das möglich gewesen?« fragte er.
»Die Erklärung liegt auf der Hand«, erwiderte Morgana und sprach wie eine Lehrerin, die ihren Schülern etwas beibringen wollte. »Was ist nicht alles in Millionen von Jahren passiert? Heizen die Menschen nicht heute mit Öl oder Kohle? Sind die Grundstoffe nicht in der damaligen Zeit entstanden? Und findet man heute in den Bergwerken nicht noch Überreste großer Farne und anderer Pflanzen aus dieser Zeit? Die Landmassen haben sich verschoben. Es hat Eiszeiten gegeben, Perioden der Hitze und Jahre der großen Vulkanausbrüche. Das alles liegt hinter den Wölfen, die von den Felsen verschlungen wurden. Sie saugten die Bestien auf und konservierten sie so, wie sie damals angeblich gestorben waren. Ihre Körper waren starr, ihr Geist lebte weiter. Ich aber fühlte mich berufen, sie zu wecken. Ich hatte den Befehl meines Herrn bekommen und begann damit, sein Ebenbild in die Wand zu meißeln. Wer uns aus dieser Wand hier zusieht, ist kein anderer als Fenris, der Götterwolf. Jetzt waren die Vorbereitungen endlich getroffen, und ich konnte zu den wichtigen Dingen kommen. Bevor die Menschen waren, waren die Wölfe. Diesen Satz möchte ich wiederholen. Und der Wolfszauber hat ebenfalls überlebt. Ich holte die Diener des Fenris aus den Felsen hervor. Sie kamen alle, denn sie waren die Feuerwölfe. Deshalb ihre Haare. Es sind tatsächlich erstarrte Flammen, die wieder auflodern, wenn es mit dem Wesen zu Ende geht. Alle konnte ich zurückholen, und sie hatten sich nicht verändert. Weder körperlich noch seelisch.«
»Das heißt, sie waren noch genau so grausam wie früher!« unterbrach ich Morgana.
»So ist es.«
»Konntest du sie nicht halten?«
Morgana lachte fast bellend auf und legte dabei ihren Kopf in den Nacken. »Ich sie halten, John? Nein, sie gehorchen nur einem einzigen. Das ist Fenris, und ich habe sein Abbild in den mit Wolfsmagie erfüllten Felsen gemalt. Sein Gesicht steckt darin. Sieh seine Augen an. Sie geben die Befehle, ich war nur Mittel zum Zweck. Ich habe versucht, die Werwölfe zurückzuhalten, es gelang mir nicht. Sie witterten Menschen, und ihr dämonischer Jagdtrieb erwachte.«
»Sind das überhaupt Werwölfe?« fragte ich.
»Nicht direkt. Flammenwölfe hat man sie genannt. Sie gehörten zum engen Beschützerkreis des Götterwolfs. Kannst du nun begreifen und auch verstehen?«
»Ein wenig.«
»Was soll ich dir denn noch sagen?«
»Weshalb lebst du noch, wenn du nicht auf ihrer Seite stehst? Sie hätten dich töten müssen.«
Morgana schüttelte den Kopf. »Nein, sie spürten das andere Blut in mir. Sie akzeptierten mich, sie wußten ja, daß ich ihnen die Rückkehr ermöglicht hatte, aber sie nahmen von mir keine Befehle an.«
»Und weshalb leben wir dann?« erkundigte sich Suko.
»Weil ich es so wollte.«
»Obwohl sie keine Befehle von dir annahmen?« Ich begann zu lachen.
»Du siehst es falsch, John Sinclair. Ich konnte ihnen einreden, als sie euch schon überfallen hatten, daß ihr ein besonderes Opfer für Fenris sein solltet. Deshalb haben wir euch mitgenommen. Aus diesem Grunde lebt ihr.«
»Und wann werden wir sterben?« fragte ich.
»Noch in dieser Nacht. Vorausgesetzt, wir kommen nicht von der Insel weg. Und ihr sollt mir dabei helfen, zu fliehen.«
Suko und ich schauten uns an. »Ist das nicht ein wenig viel verlangt?« fragte der Inspektor.
»Wollt ihr nicht weg?«
»Gern, aber können wir es schaffen? Du hast selbst gesagt, daß wir unter seiner Kontrolle stehen. Fenris und seine Getreuen werden…«
»Gar nichts vorläufig unternehmen«, erklärte Morgana Layton.
»Denn sie können uns nicht verstehen.«
»Das heißt, unsere Gespräche?«
»So ist es.«
Morgana hatte es raffiniert eingefädelt. Die Flammenwölfe waren tumbe Gestalten, die nichts begriffen und ähnlich wie die Zombies nur ihrem Trieb folgten. Allerdings fragte ich mich, wo sie jetzt steckten.
Auf meine diesbezügliche Frage hin bekam ich auch eine Antwort.
»Sie beobachten uns.«
Ich drehte mich im Kreis. Morgana Layton lachte. »Du
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