0329 - Der Ghoul, der meinen Tod bestellte
los, dass der andere ihn für einen Trottel hielt. Da hatte er im Prinzip auch nichts gegen, doch hier ging es um andere, wichtige Dinge, die Suko nicht mehr vor sich herschieben konnte. Plötzlich hielt er ein Messer in der Hand. Er brachte die Klinge so dicht an die Augen des anderen, dass dieser zusammenzuckte und einen halben Schritt zurückging.
»Wollen Sie mich umbringen, Inspektor?«
»Nein. Ihnen nur die Waffe zeigen.«
»Was soll ich damit?«
»Sie hat dem Mann gehört, dessen Hund ich leider stoppen musste.«
»Was ist mit dem Mann?« fragte Semec.
»Er ist tot!«
Semec erstarrte. »Das haben Sie doch nur gesagt.«
»Nein. Sie können ihn doch sehen. Oder seine kristallinen Reste auf dem Boden. Er war ein Ghoul, ein Dämon. Ich musste ihn erledigen, sonst hätte er mich erwischt.«
Semec war ein guter Schauspieler, das zeigte er in den nächsten Sekunden. Auf seinem Gesicht spiegelte sich eine Skala von Gefühlen wider. Das geschah mit den Zeichen der Überraschung, dann Hass, Hinterlist und ein Versprechen, sich um beides noch zu kümmern.
»Ich muss leider wieder auf die Bühne und das nächste Stück ansagen«, erklärte Semec. »Bleiben Sie nur hier sitzen.«
»Nein.«
»Es wäre aber besser, Inspektor.«
»Wieso?«
»Nicht nur in Ihrem Sinne, sondern auch im Sinn Ihres Kollegen John Sinclair…«
Für einen winzigen Augenblick sah Suko noch das grinsende Gesicht des anderen, dann war dieser verschwunden.
Dem Inspektor schwante Schlimmes…
***
Ich war mit der jungen Frau allein!
Nein, nicht mit einer Frau, mit einem Mädchen, das auf den Namen Monica hörte und mir mit seiner Frisur vorkam wie eine Figur aus der einer Balkan-Operette.
Sie saß auf einem normalen Stuhl. Aus den dunklen Augen blickte sie mich an, der etwas zu breite Mund war zu einem Lächeln verzogen, und die Wangen besaßen einen rosigen Schein. Die Hände hatte sie in den Schoss gelegt. Wäre nicht ihr Blick gewesen, so hätte sie auf mich wie eine schamhafte Jungfer aus vergangenen Tagen gewirkt, aber dieser Blick ließ eher auf das Gegenteil schließen.
Er war auf irgendeine Art und Weise lauernd, wenn nicht berechnend. Ich wurde das Gefühl nicht los, in diesem Mädchen eine Aufpasserin zu haben.
Nachdem Jossip Semec zusammen mit Suko den Wohnwagen verlassen hatte, war zwischen Monica und mir noch kein Wort gesprochen worden. Wir saßen nur da und sahen uns an.
Ich wurde ein wenig unruhig, denn als ich über diesen Zustand nachdachte, kam ich mir überrumpelt vor. Und zwar von Semec.
Er hatte es geschickt verstanden, Suko und mich in die Defensive zu drängen. Wir waren in diesem Spiel Statisten geworden, die wir aber nicht sein wollten.
Deshalb sprach ich das Mädchen an. »Gefällt es Ihnen hier?«
Sie hob die Schultern. »Wie meinen Sie das?«
»Ob es Ihnen bei der Familie Semec gefällt?«
Monica nickte. »Ich bin ihnen sehr dankbar. Sie tun alles für mich. Es sind nette Menschen, auch wenn sie von den angeblich Normalen belächelt und angefeindet werden.«
»Das finde ich auch nicht gut.«
»Aber Sie sind ebenfalls kein Freund der Familie.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Das spüre ich. Tut mir leid.« Monica hob die breiten Schultern.
»Sie sind gekommen, um uns Böses anzutun.«
»Das würde bei mir voraussetzen, dass man auch mir Böses angetan hat«, erklärte ich.
»Hat man das denn?«
»Vielleicht.«
»Das kann ich nicht glauben. Sie sind…«
»Nein«, unterbrach ich sie. »So nett sind Ihre Freunde nicht. Ist Ihnen nichts aufgefallen?«
»Was denn?«
Ich lächelte. Monica tat sehr naiv, doch ich ließ mich nicht täuschen. Sie war geschickt, sie besaß die Gabe, ihre Naivität in den Vordergrund zu spielen, obwohl sie gar nicht naiv war. Ich glaubte fest daran, dass sie über die herrschenden Verhältnisse informiert war und auch über Ghouls Bescheid wusste.
Nur musste ich sie locken.
»Ist Ihnen der Geruch noch nie aufgefallen?«
»Ein Geruch?«
»Ja, manchmal muss es hier nach Moder und Friedhof riechen.«
Ich vermied den Begriff Leichen bewusst.
Sie begann zu lachen. Es klang mir hell entgegen. »Nein, was Sie sich denken«, sagte sie in ihrer harten Aussprache. »So etwas ist unmöglich. Was sollte ich mit einem Friedhof zu tun haben.«
»Sie nicht. Vielleicht andere.«
»Ich gehe nicht auf Friedhöfe.«
»Dann kennen Sie auch keine Ghouls.«
»Doch, die kenne ich!«
Mit dieser Antwort hatte sie mich überrascht, und ich musste zunächst einmal schlucken.
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