0329 - Der Ghoul, der meinen Tod bestellte
log. Es war ein Gefühl, ein Strom, der mich traf, mehr konnte ich auch nicht fühlen.
Semec schüttelte seinen Kopf. »Nein, nein, Sir, Sie sind hier falsch. Wirklich. Außerdem müssen Sie mich entschuldigen, weil die Vorstellung beginnt. Wollen Sie sich unsere Leistungen anschauen?«
»Wir haben bereits Karten.«
»Dann kommen Sie mit.«
»Eigentlich wollte ich noch mit Ihnen reden. Und auch mit Ihren Brüdern und Angestellten.«
Der kleine Mann stand auf und verdrehte die Augen. »Es geht wirklich nicht Sir, aber ich darf Ihnen vielleicht einen Vorschlag machen. Bleiben Sie hier im Wagen. Ich werde Ihnen meine Brüder der Reihe nach hinschicken. Dann können Sie Ihre Fragen stellen. Ihr Kollege kann sich ja die Vorstellung ansehen – oder?«
Der Vorschlag riss mich zwar nicht vom Hocker, er war jedoch nicht so schlecht, wie er sich zunächst anhörte.
»Was meinst du, Suko?«
»Einverstanden.«
Semec nickte. »Das freut mich sehr. Wir sind bekannt für unsere Gastfreundschaft. Ihnen wird es an nichts mangeln. Meine Tochter möchte Ihnen sicherlich Gesellschaft leisten.« Bevor ich noch etwas erwidern konnte, öffnete er schon die Tür und rief den Namen Monica.
»Ich komme.«
Die Mädchenstimme klang hell. Wenig später begann ich zu staunen, denn das blutjunge, aber schon voll entwickelte Mädchen mit den blauschwarzen Haaren besaß die normale Größe. Sie hatte ein rundes Gesicht, das von zwei Zöpfen eingerahmt wurde. Der grüne Rock reichte bis über die Waden, und die weiße Bluse war bauchig geschnitten.
»Das ist Ihre Tochter?« fragte ich.
Semec lächelte und legte seine Hand in die ihre. »Nicht direkt, Sir. Sie ist meine Ziehtochter. Ich habe sie aus einem Waisenhaus in Belgrad geholt. Sie ist unentbehrlich für uns geworden. Der gute Geist hinter den Kulissen. Eine wirklich perfekte Schneiderin, die alles flickt und repariert, was wir an Kostümen benötigen. Nicht wahr, Monica?«
»Ja, mein Vater!«
»Ich habe beschlossen, dass du dem Herrn Gesellschaft leisten wirst. Unterhalte dich nett mit ihm.«
»Gern, Vater.« Sie lächelte und reichte mir ihre Hand, die ich nahm. Sehr kühl fühlte sie sich an.
»Dann kann ich ja mitgehen«, sagte Suko. Seine Stimme hörte sich ein wenig brummig an. Grossen Spaß schien ihm Semecs Vorschlag nicht bereitet zu haben.
»Dem steht nichts im Wege, Alter.«
Die Männer verließen den Wohnwagen. Semec drückte noch die Tür zu. Ich war mit Monica allein…
***
Kaum hatten die beiden den Wagen verlassen, als der Hundebesitzer auf sie zukam, zu lamentieren anfing und anklagend auf Suko deutete.
»Was ist los?« fragte der Chinese.
»Sie haben ihm einen Knochen gebrochen.«
»Es tut mir leid, er griff mich an.«
Jossip Semec schlug Suko gegen die Hüfte. »Schon gut, vergessen wir die Sache. Wenn Sie unser Spiel interessiert, würde ich sagen, dass Sie sich nicht zu den Zuschauern setzen, sondern hinter der Bühne bleiben. Dort können Sie alles hautnah miterleben und vielleicht die eine oder andere Frage stellen. Als Polizist sind Sie dazu doch in der Lage.«
»Wenn Sie meinen.«
»Gut, mein Lieber, kommen Sie.«
Suko wusste nicht, wie er diesen Mann einordnen sollte. Der passte in keine Schublade. Er war auf eine gewisse Art und Weise beinahe widerlich freundlich, und so etwas hatte Suko nicht gern. Er wurde ferner das Gefühl nicht los, dass der andere ihn nur von wesentlichen Dingen ablenken wollte.
Obwohl sie zu zweit gewesen waren, hatte es Semec verstanden, die Fäden zu ziehen wie ein perfekter Regisseur. Das mochte Suko überhaupt nicht.
Andererseits war er nicht der Typ, der sich dagegen zur Wehr setzte. Dieses Camp, wie er es nannte, barg ein Geheimnis, und dem wollte er auf die Schliche kommen.
Sie hatten den großen Wohnwagen mit der Bühne erreicht. Er war nicht nur länger als die anderen, sondern auch breiter. Die hintere Tür stand offen. Zu ihr führte eine Treppe aus Holz hoch.
Es begann, dämmrig zu werden. Lichtschein fiel auf die Holztreppe. Zwischen den Wagen hüpften und tanzten die Mitglieder der Truppe. Sie machten sich gewissermaßen warm.
Suko wunderte sich darüber, wie gelenkig die kleinen Leute waren. Aus dem Stand sprangen sie in die Höhe, schlugen Salti, kamen wieder auf die Füße oder sprangen sich gegenseitig auf die Schultern. Es waren nur Männer darunter, das wunderte Suko, und er fragte nach den Frauen.
»Sie spielen innerhalb des Theaterstücks mit!« lautete die Antwort.
»Wir machen ja
Weitere Kostenlose Bücher