0329 - Der Ghoul, der meinen Tod bestellte
»Sie kennen Ghouls? Woher?«
»Aus der Heimat. Ich habe als Kind gehört, wie sich die Alten unterhielten. Manchmal sprachen sie über Friedhöfe, die verflucht waren. Auf ihnen sollten die Ghouls hausen.«
»Hatten Sie keine Furcht?«
Monica schüttelte den Kopf. »Niemals. Weshalb sollten sie mir etwas antun? Ich bin ja nie auf einen Friedhof gegangen. Ich blieb immer nur für mich. Sehr allein. Bis dann die Liliputaner kamen. Ich freundete mich mit ihnen an. Sie nahmen mich mit.«
»Hat man Sie gehen lassen?«
Monica kicherte verschämt. »Es wurde gar nicht gefragt. Man nahm mich einfach mit.«
So etwas Ähnliches hatte ich mir schon gedacht. Das Gespräch lief nicht so, wie ich es gern gehabt hätte. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass man mich hier aufhalten wollte und meinen Freund Suko bewusst von mir getrennt hatte, damit wir beide leichtere Angriffsflächen boten.
***
Im Wagen war es still. Außengeräusche drangen kaum an unsere Ohren. Hin und wieder vernahmen wir dünnen Beifall, auch mal einen Ruf, das war schon alles.
»Mein Ziehvater hat mir gesagt, dass Sie unser Gast sind und ich mich um Sie kümmern soll. Das werde ich auch. Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten?«
Ich hatte Durst, lehnte dennoch ab, da ich nicht sicher sein konnte, ob unter Umständen das Getränk vergiftet war. »Nein, danke, ich bin wunschlos glücklich. Außerdem möchte ich nicht mehr lange bleiben und den Wagen verlassen. Schließlich habe ich mir eine Eintrittskarte gekauft. Ich will noch etwas von dem Stück sehen.«
»Die Karte gilt auch an den nächsten Tagen noch«, erklärte Monica. »Wir werden den Sommer über bleiben. Sie können immer kommen. Oder gefällt Ihnen meine Gesellschaft nicht?« fragte sie fast traurig, während sie gleichzeitig aufstand.
»Die gefällt mir sehr gut…«
»Das freut mich. Und sie wird Ihnen bestimmt bald noch besser gefallen, John Sinclair.«
»Wieso?«
Da lächelte sie, schaute mich aus seltsam glitzernden Augen an und drückte sich an mir vorbei. Sie durchquerte den Wagen und ging dorthin, wo das Licht kaum hinreichte und ein dunkler Vorhang die Breite des Wagens trennte. Sie blieb dort stehen, schob den Vorhang ein Stück zur Seite und drehte sich um, wobei sie mich anschaute. »Warten Sie einen Augenblick. Es dauert wirklich nicht lange.«
Ich gab keine akustische Antwort und hob nur die Schultern. Der Vorhang fiel zu. Damit verschwand auch das Mädchen.
Ich konnte immer wieder nur darüber nachdenken, in welch einer verrückten Lage ich mich befand. Da saß ich mit einem jungen Mädchen allein in einem Wohnwagen und ließ mich tatsächlich von dieser Person aufhalten. Monica hatte nie fordernd gesprochen, stets sehr weich und sanft, aber gerade diese Sanftheit war es gewesen, die mich auf eine gewisse Art und Weise eingeschläfert hatte.
Ich nahm auch keine Gefahr wahr. Kein Ghoulgeruch durchzog den Wagen, nichts war da, das mich störte, nur eben die Tatsache meiner Inaktivität.
Das musste sich ändern.
Mochte diese Monica auch noch so nett sein, ich hatte hier nichts mehr zu suchen. Und Antworten, die mich weitergebracht hätten, hatte ich von ihr auch nicht bekommen. Es war wirklich besser, wenn ich mich heimlich und ohne Gruß empfahl.
Ich stand auf.
Bis zur Tür war es nicht weit. Nur zwei große Schritte. Eine lächerliche Entfernung, die ich leicht überbrücken konnte, doch Monica schien geahnt zu haben, was ich vorhatte. Vielleicht hatte sie auch durch einen Vorhangspalt schauen können, jedenfalls ließ sie mich nicht bis zur Tür kommen.
»Wollen Sie schon gehen?«
Die plötzliche Frage erschreckte mich. Gleichzeitig kam ich mir irgendwie ertappt vor, blieb stehen und drehte mich um.
»Ja, ich…«
»Bitte, ich möchte Ihnen noch etwas zeigen.« Ihre Stimme klang bettelnd.
Tief atmete ich ein. Das ging mir wirklich gegen den Strich. Möglicherweise hatte sie es sich wirklich anders überlegt und wollte mir einen Tipp geben, aus diesem Grunde ging ich zurück.
Ich hatte etwa die Hälfte der Strecke hinter mich gebracht, als hinter dem Vorhang eine Lampe angeknipst wurde. Der Schein füllte den Raum dort aus. Das Mädchen oder die junge Frau sah ich als Schattenriss, der sich auf dem Vorhang abzeichnete.
Für einen Moment stutzte ich. Der Schatten war mir einfach zu glatt. Er hätte anders aussehen müssen.
Ich ging weiter und, spürte, dass sich etwas verändert hatte. Da war eine andere Atmosphäre entstanden, und als ich den Vorhang
Weitere Kostenlose Bücher