033 - Die Herberge der 1000 Schrecken
einen so gebefreudigen Freund
wie ihn. Das Kleid und der Mantel -«, sie zeigte auf den fast weißen Mantel mit
den eingewirkten Silberfäden. Er paßte in Farbe und Schnitt genau zu dem Kleid,
das sie trug. »- beides stammt von ihm. Er heißt Iwan oder so. Aber ich nenne
ihn Teddy.«
»Warum Teddy?«
»Er ist so groß und stark wie ein Bär - und gutmütig wie ein
Teddybär.« Conchita lachte. »Und genauso dumm.«
Dolores kleidete sich um, während sie mit ihrer Freundin Conchita
sprach, die zu dieser späten Stunde aus Madrid gekommen war, um »Teddy« hier
abzuliefern.
»Alle Nachforschungen sind negativ verlaufen, nicht wahr?« fragte
Dolores, während sie das Lippenrot nachzog.
»Natürlich, was denkst du von mir. Ich ärgere mich ein bißchen
darüber, daß ihr ihn bekommt. Der Bursche ist in Ordnung. Scheint ein
spleeniger, nicht ganz normaler
russischer Fürst zu sein, der seine Millionen verschleudert. Er
wirft mit dem Geld nur so um sich. Einige tausend Pesetas wären für mich noch
drin gewesen. Ich hoffe, ihr vergeßt mich nicht ganz, wenn ihr ihn ausnehmt.«
»Zehn Prozent, wie üblich.«
»Das kann bei ihm eine ganze Menge sein.«
»Irgendwelche Besonderheiten?« wollte Dolores wissen, während sie
den weißen, mit einer Goldborte versehenen Schrank öffnete und ein Kleid
herausnahm. Sie stand nur mit einem knappen BH und einem ebenso knappen Slip
bekleidet vor Conchita.
Sie zog das Kleid an. Es war so eng gearbeitet, daß es wie eine
zweite Haut an ihrem gutgewachsenen Körper lag, an dem es kein Gramm Fett gab.
»Er bleibt nicht lange bei einer Sache, fürchte ich«, antwortete
Conchita zwischen zwei Zigarettenzügen. »Er liebt die Abwechslung. Langeweile
tötet ihn. Ich glaube, bei euch ist er in guten Händen.«
»Das glaube ich auch«, Dolores' Lippen verzogen sich zu einem
wissenden Grinsen. »Du hast mich direkt neugierig auf diesen - russischen
Fürsten gemacht. Komm, mach' mir das Kleid zu...!«
Conchita aus Madrid zog den Reißverschluß nach oben.
»Wir können gehen«, sagte Dolores, nahm den dünnen Sommermantel
aus dem Schrank, schaltete das Licht aus, schloß die Tür ihrer Garderobe hinter
sich ab und stieg neben Conchita die Treppen hinab.
»Bring den Burschen durch den Seiteneingang heraus«, meinte
Dolores. »Ich will mich nicht noch einmal in der Bar sehen lassen, sonst ist
der Teufel los.«
»Ich verstehe.«
Während Dolores mit wiegenden Hüften auf den Hinterausgang zuging,
verschwand Conchita in der Bar.
Zwei Minuten später tauchte sie mit dem Russen im Hof auf.
Der Athletische grinste von einem Ohr zum anderen. Er begrüßte
Dolores, ohne die Zigarette aus dem Mund zu nehmen.
Die Spanierin glaubte, die Luft müsse ihr wegbleiben, als sie den
scharfen Tabak roch, der den stärksten Mann vom Schlitten haute.
Als der Russe zur Straße vorging, um ein Taxi anzuhalten, sah
Dolores ihre Freundin erbleichend an.
»Bei allen guten Geistern«, ihre Stimme klang heiserer als sonst.
»Welches Kraut raucht denn der?«
Conchita aus Madrid zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Er dreht
sich seine Zigaretten immer selbst. Einmal hab ich so ein Stäbchen versucht.
Nie wieder.«
Conchita hatte nicht damit gerechnet, daß
Dolores sie mitnehmen würde. Bevor das Taxi an der Einfahrt hielt und der Russe
ihnen mit einem trotteligen Grinsen die Tür öffnete, zupfte Dolores ihre
Begleiterin am Ärmel. »Du kommst natürlich mit. Wir können Verstärkung
gebrauchen. Du kommst gar nicht mal zu einer so üblen Zeit. Der Touristenstrom
floriert im Augenblick in Córdoba, und man muß die Konjunktur
ausnutzen, solange sie so gut ist, nicht wahr?«
Sie stiegen in das wartende Taxi. Dolores gab das Ziel an. Am
Stadtrand, am Fuß der Sierra Morena, stiegen sie aus. In der Nähe eines alten
Gasthauses, damit es so aussah, als würden sie es brauchen. Als von dem Taxi
nur noch die roten Rücklichter zu sehen waren, zeigte Dolores auf die dunklen
Berge, die weiter weg schienen, als sie in Wirklichkeit waren. »Jetzt müssen
wir ein paar hundert Meter zu Fuß gehen, Teddy«, meinte sie freundlich, während
sie sich rechts bei ihm einhing. Conchita hakte sich am anderen Arm des Russen
unter. »Aber das ist nicht schlimm«, fuhr die Tänzerin fort. »Dann geht es
wieder motorisiert weiter.«
Sie gingen zum Ende der Straße und bewegten sich über die freie,
feldwegähnliche Fläche. Links von ihnen stand ein einsames, unbeleuchtetes
Wohnhaus. Sie gingen an ihm vorüber.
Sie erreichten
Weitere Kostenlose Bücher