033
„Wenn ihm nicht an dem Honorar gelegen war, dann frage ich mich, wieso er den Auftrag schließlich doch angenommen hat."
„Er hat mich genötigt, etwas einfallsreicher zu sein, um ihn zu ,ermutigen', den Auftrag anzunehmen."
„Was hast du getan?" Reina kannte ihren Vater und war entsetzt darüber, zu welchen Mitteln er unter Umständen gegriffen hatte, um sich Clay gefügig zu machen.
„Die Einzelheiten sind nicht wichtig", antwortete Luis, um seine unschöne Verhaltensweise zu vertuschen. Reina wusste, dass es besser war, ihn nicht auszufragen. „Wichtig war, dass Mr. Devlin O'Keefe, Mr. Cordells Freund, im Gefängnis saß. Er war unter dem Vorwurf, Señor Santana erschossen zu haben, verhaftet worden, und alles sprach für seine Schuld. Ich habe dafür gesorgt, dass Mr.
Cordell davon überzeugt war, sein Freund sei im Gefängnis in Sicherheit, vorausgesetzt, er willige ein, dich zu suchen und zu mir zurückzubringen."
„Du hast ihn erpresst!"
„Ja, das habe ich getan", gestand Luis und war jetzt überhaupt nicht mehr stolz auf seine Machenschaften.
Staunend fing Reina an, Clays Worte und sein Verhalten in einem ganz anderen Licht zu sehen. Er hatte sie zu ihrem Vater zurückbringen müssen, weil er befürchtete, sein Freund könne sterben. Ihr Herz jubelte, als sie erkannte, dass er sie vielleicht doch liebte.
„Er hat dir gesagt, er liebe mich?" fragte sie, weil sie das noch einmal bestätigt haben wollte.
„Als ich ihn kurz nach der Prügelei mit Mr. Marlow im Saloon sprach, hat er mir gesagt, er sei im Begriff gewesen, zu uns zu kommen. Auf dem Ritt hierher wurde er sehr ärgerlich, nachdem ich versucht hatte, ihn auf nicht sehr subtile Weise zu überreden, dir gegenüber seine Pflicht zu
tun. Dann hat er mir zu verstehen gegeben, ich müsse ihn nicht dazu zwingen, dich zu heiraten, denn er habe dich vom ersten Augenblick an geliebt."
„Das hat er wirklich gesagt?" Noch immer schimmerten Tränen in Reinas Augen.
Jetzt waren es jedoch Tränen des Glücks.
„Ja, das hat er wirklich gesagt. Er liebt dich, Reina. Er ist ein guter Mensch, ein Ehrenmann."
„Ich weiß. Oh ja! Das weiß ich", erwiderte sie und lachte glücklich. „Ich muss zu ihm, Vater! Ich muss ihn schnell finden und ihm sagen, es täte mir Leid."
Luis schmunzelte, als sie sich seinen Armen entzog. „Dann zieh dich an. In der Zwischenzeit lasse ich die Kutsche vorfahren."
„Ich will keine Kutsche! Das geht mir zu langsam! Man soll mir mein Pferd satteln.
Ich muss so schnell wie möglich zu Clay."
„Es ist mitten in der Nacht, Reina."
Triumphierend lächelte sie den Vater an, während sie zur Tür ging, um sich zum Anziehen in ihr Zimmer zu begeben. „Hättest du dich mitten in der Nacht davon abhalten lassen, hinter Mutter herzureiten, falls du von ihr verlassen worden wärst?"
„Nein", antwortete Luis und dachte daran, welche Gefühle er für seine liebe Gattin gehabt hatte.
„Wie kannst du dann von mir verlangen, hier herumzusitzen und auf einen geeigneteren Zeitpunkt zu warten? Ich bin deine Tochter, Vater."
„Ja, Reina, meine Liebe. Du ist meine Tochter."
Hell lachend rannte sie aus dem Raum und ließ den glücklich lächelnden Vater zurück.
32. Kapitel
Im fast leeren Perdition-Saloon saß Clay an einem Tisch und hatte eine geöffnete Whiskyflasche und ein halb geleertes Glas vor sich. Reina hatte gelogen. Alles war eine Lüge gewesen. Diese Worte gingen ihm immer wieder durch den Sinn und erinnerten ihn schmerzlich an eine Wahrheit, die ihm vor langer Zeit durch seine Mutter bewusst gemacht worden war und die er nie hätte vergessen dürfen.
Er erkannte jetzt, dass es ein Fehler gewesen war zu glauben, die Dinge könnten anders sein. Es gab nur eine Art von Frau, der man trauen konnte, und das waren Frauen wie Frenchie und Josie. Sie waren zumindest ehrlich und machten keinen Hehl aus ihren Absichten. Man zahlte ihnen im Voraus Geld und bekam genau das dafür, was man haben wollte. Die Beziehung zu ihnen war seelisch nicht belastend, so wie das bei Frauen wie seiner Mutter oder Reina der Fall war.
Clay fühlte sich einsam. Es war schwierig genug, sich mit Reinas Täuschung abzufinden, doch nun hatte er nicht einmal Dev zur Seite. Er dachte an sein Zuhause und seinen Vater und begriff, dass sie beide sich viel ähnlicher waren, als er angenommen hatte. Ungeachtet seines Schwurs, dass das, was dem Vater passiert war, ihm nicht widerfahren würde, war das doch der Fall gewesen.
Es war nicht sehr
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