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Cordell war zehnmal männlicher als Mr. Marlow. Hätte der Vater sie mit ihm verloben wollen, wäre sie aller Wahrscheinlichkeit nach nie auf den Einfall gekommen, fluchtartig das Haus zu verlassen. Belustigt sagte sie sich, der einzige Ort, an den sie sich dann geflüchtet hätte, wäre Mr. Cordells Brust gewesen.
Mr. Cordell sah verdammt gut aus, und sie bedauerte, dass sie ihn nicht unter anderen Umständen kennen gelernt hatte. Sie lachte verhalten auf, biss sich dann jedoch auf die Unterlippe, als sie sich gewahr wurde, wie dekadent ihre Gedanken waren.
Sie zwang sich, wieder wie Schwester Maria Regina zu denken, hörte jäh auf, sich das Haar zu bürsten, und packte die Bürste wieder ein. Dann legte sie sich schlafen und zog die Wolldecke über sich. Bald würde sie in New Orleans sein, und dann war alles in Ordnung. Dort war sie vor dem Vater sicher, vor Mr. Marlow und auch vor Mr. Cordell. Eine Weile später nahm sie, schon im Halbschlaf, eine Stimme wahr, die ihr eine gute Nacht wünschte.
9. Kapitel
Am Spätnachmittag stiegen Philip und Clay die zum Haus führende Freitreppe hinauf und betraten das Entree. Clay war jetzt seit fast einer Woche daheim, und Philip genoss es sehr, ihn wieder bei sich zu haben. Den größten Teil des Tages hatten sie damit verbracht, über die Felder zu reiten und sich mit den Zuchttieren zu befassen.
Müde, aber zufrieden begaben sie sich ins Arbeitszimmer. Erschöpft ließ Clay sich in einen Ledersessel fallen, derweil sein Vater zur Anrichte ging und für sie beide Gläser mit dem besten Whisky füllte. Philip lächelte glücklich, als er Clay ein Glas aushändigte.
„Ich kann dir nicht sagen, wie wunderbar es ist, dich wieder hier zu haben", sagte er ehrlich bewegt.
„Es ist schön, wieder hier zu sein", erwiderte Clay, gab einen tiefen, zufriedenen Seufzer von sich und lehnte sich entspannt zurück. Er hatte den Vater und die Plantage mehr vermisst, als er sich eingestehen mochte. Wären die Umstände anders gewesen, hätte er vielleicht in Betracht gezogen, eine Weile in Windown zu bleiben. So jedoch war ihm bewusst, dass er sich auf den eigentlichen Anlass für die Reise nach Louisiana konzentrieren musste, die Suche nach Miss Alvarez. „Es tut mir Leid, dass ich nicht länger bleiben kann."
„Mir auch", gestand der Vater. Er wusste, es werde nichts nützen, mehr zu diesem Thema zu sagen. Nach der Ankunft hatte Clay ihm den Grund für seine Anwesenheit genannt, ihm von der Verhaftung seines Freundes Devlin erzählt und geschildert, wie er gezwungen worden war, den Auftrag anzunehmen, die verschwundene junge Dame zu suchen und nach Hause zu bringen. Er wusste, wie sehr die ganze Situation den Sohn verärgerte und frustrierte, und er hatte nicht vor, noch zu dessen schlechter Laune bei-zutragen, indem er versuchte, ihn zu bewegen, für immer in Windown zu bleiben.
„Falls Miss Alvarez nicht bis Mitte der nächsten Woche hier auftaucht, muss ich wieder fort." Dieser Gedanke ergrimmte Clay, und noch mehr störte ihn die Tatsache, dass seine diskret vorgenommenen Erkundigungen über die Delacroix' zu keinem nennenswerten Ergebnis geführt hatten. „Verdammt!" fluchte er. „Falls Miss Alvarez zu den Delacroix' unterwegs ist, wie ihr Vater annimmt, dann müsste sie längst dort sein. Aber nirgendwo hat man sie gesehen, weder auf den Dampfern, noch in einer Postkutsche oder in irgendeinem Hotel."
„Ich weiß", äußerte Philip mitfühlend. „Aber vielleicht findest du am Samstagabend etwas bei der von den Ran-dolphs veranstalteten Gesellschaft heraus. Die Delacoix'
werden dort sein."
„Ich hoffe, dass ich etwas herausbekomme", erwiderte Clay, war in dieser Hinsicht jedoch nicht sehr optimistisch. Seit er anfangen hatte, Miss Alvarez zu suchen, hatten die Dinge sich für ihn nicht gut entwickelt, so dass er mehr und mehr zu der Überzeugung gelangt war, an seinem Pech werde sich nichts ändern.
„Ich bedauere nur, dass ich mit den Delacroix' nicht besser bekannt bin. Es würde dir deine Aufgabe gewiss beträchtlich erleichtern, denn dann könntest du ihnen unangemeldet einen Besuch abstatten. Ich habe sie jedoch im Verlauf der Jahre nur wenige Male getroffen, und das war bei großen Gesellschaften, ähnlich dem Fest, das die Randolphs geben. Es ist wirklich ein glücklicher Umstand, dass die Delacroix'
dort sein werden. Vielleicht entwickeln die Dinge sich dann endlich in deinem Sinn."
„Vielleicht", äußerte Clay skeptisch. „Ich fange jedoch an,
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