033
allein die Erwähnung könne den Verfolger irgendwie herbeilocken. Es war schon schlimm genug, dass sie ständig von Gedanken an den gut aussehenden, aber gefährlichen Revolverhelden geplagt wurde, selbst im Schlaf. Sie wollte nicht mehr über ihn reden, als unbedingt notwendig war.
„Das ist unglaublich!"
„Ich weiß", äußerte Reina aufstöhnend. „Eine Zeit lang hätten die Dinge dort nicht komplizierter sein können."
„Ich wette, du warst zu Tode erschrocken."
„Ja. Ich konnte mich erst etwas beruhigen, nachdem dieser Mensch endlich verschwunden war. Doch selbst dann, da ich weiß, dass mein Vater so entschlossen ist ..."
„Wohin ist der Kopfgeldjäger deiner Meinung nach geritten, nachdem er sich von dir und den anderen Reisenden in der Postkutschenstation getrennt hat?"
„Ich habe keine Ahnung. Das ist mir auch gleich, vorausgesetzt, er hat die mir entgegengesetzte Richtung genommen!" sagte Reina vehement.
„Das kann ich mir denken. Nachdem du nun schon so weit gekommen bist, wüsste ich gern, was du als nächstes zu tun gedenkst."
Das hatte sich auch Reina bereits gefragt. Das Ende aller von ihr gemachten Pläne, wie sie dem ihr vom Vater bestimmten Schicksal entrinnen könne, hatte darin bestanden, dass sie sicher zu Emilie gelangte. Sie richtete den Blick auf die Freundin, und die Unsicherheit, die sie empfand, drückte sich in ihren dunklen Augen aus.
„Das weiß ich wirklich nicht", gestand sie zögernd. „Ich dachte, meine Flucht würde meinen Vater anderen Sinnes machen. Ich habe gehofft, dass ihm so viel an mir liegt, um mir persönlich zu folgen und mir zu sagen, er werde mich nicht zwingen, Mr. Marlow zu heiraten. Doch nun ..."
„Glaubst du, er vermutet, dass du hier bist?"
„Das weiß ich nicht. Ihm ist bekannt, dass wir beide gut befreundet sind. Ich bin jedoch nicht sicher, ob er glaubt, ich könne so wagemutig sein, allein die Reise zu dir anzutreten. Ich habe versucht, den Kopfgeldjäger auszuhorchen, wohin er wolle, aber er hat sich nicht dazu geäußert."
„Was willst du machen, Reina? Du weißt, du kannst bei mir bleiben, so lange du willst."
Reina ergriff die Hand der Freundin und drückte sie herzlich. „Vielen Dank, Emilie."
„Nicht der Rede wert. Ich weiß, du würdest mir helfen, wenn ich dich brauche."
„Ja", bestätigte Reina. „Aber da ist noch etwas, um das ich dich bitten möchte."
„Was?"
„Ich habe überlegt, ob du etwas dagegen haben könntest, wenn ich in der Öffentlichkeit unter einem anderen Namen auftrete."
„Du willst deine wahre Identität verheimlichen?"
Reina nickte. „Ich glaube nicht, dass mein Vater die Suche nach mir so schnell aufgibt. Vielleicht schickt er jemanden her, der sich nach mir erkundigen soll. Falls er das tut, wird der Betreffende nach Miss Alvarez fragen. Aber niemand wird an mich denken, wenn ich unter dem Namen Isabel Nunez auftrete. Außerdem wäre das keine grundlegende Täuschung, denn Isabel ist mein zweiter Vorname und Nunez der Mädchenname meiner Mutter."
„In Ordnung, Isabel", sagte Emilie und grinste verschwörerisch. Sie fand es erstaunlich, dass sie plötzlich in ein solches Abenteuer verstrickt war. „Willst du dich weiterhin als Nonne verkleiden, oder hast du andere Garderobe mitgebracht?"
„Ich hatte keine Zeit, Kleidung einzupacken."
In diesem Moment begriff Emilie, dass sie mit der Freundin einkaufen gehen musste, ehe sie beide nach Hause fahren würden. Ihre Mutter war streng katholisch und hätte Reinas Verkleidung sehr missbilligt. Sie stand auf und ging zur Tür. „Warte hier, bis ich wiederkomme."
„Wohin willst du?"
Emilie blieb stehen. „Ich weiß, es ist schon reichlich spät, aber ich will versuchen, Kleidung für dich zu bekommen. Wir werden heute hier übernachten und morgen die wichtigsten Dinge gemeinsam einkaufen. Nachmittags fahren wir dann nach Hause."
„Wird deine Mutter sich nicht um dich sorgen?"
„Nein. Mein Bruder Richard hat mich zu meinem Schutz begleitet. Außerdem habe ich ihr vor der Abreise gesagt, dass wir die Nacht vielleicht in der Stadt verbringen werden."
„Warte noch einen Moment, Emilie." Rasch suchte Reina in ihrem kleinen Koffer und nahm das mitgebrachte Geld heraus. „Hier, nimm das!" Sie drückte ihr einen beträchtlichen Betrag in die Hand.
„Bist du sicher, dass du dir das leisten kannst?"
„Ich hatte zwar keine Zeit, Garderobe einzupacken, habe jedoch eine Menge Geld mitgenommen."
„Ich komme so schnell wie möglich zurück",
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