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zurückzubringen, mit der Zeit zu einem sehr persönlichen Anliegen wurde.
„Du hast Recht", erwiderte er, weil er das Gespräch beenden wollte. „Es ist nur eine Frage der Zeit. Miss Alvarez muss irgendwann hier auftauchen."
Emilie Delacroix zwinkerte überrascht, als ihr auf ihr Klopfen hin die Hotelzimmertür von einer Nonne geöffnet wurde. „Es tut mir Leid, Schwester", entschuldigte sie sich hastig. „Der Mann am Empfang muss mir die falsche Zimmernummer gegeben haben."
Als Emilie sich abwenden wollte, streckte Reina die Hand aus und hielt die Freundin am Arm fest. „Emilie! Warte! Ich bin es, Reina!" rief sie aus, entzückt, sie zu sehen.
„Reina?" Erstaunt schaute Emilie sie an. „Du lieber Himmel! Du bist es wirklich!"
murmelte sie ungläubig und ließ sich von ihr ins Zimmer ziehen.
„Ja, ich bin es wirklich!" erwiderte Reina amüsiert und genoss die Überraschung der langjährigen Freundin. Sie war offensichtlich so gut verkleidet, dass nicht einmal Emilie sie erkannt hatte.
Emilie war schockiert darüber, dass die Freundin wie eine Nonne einen Habit und einen langen schwarzen Schleier trug. Verblüfft stand sie sprachlos da und sah Reina die Tür schließen.
Nie im Leben hätte sie sich träumen lassen, dass Reina einem Orden beitreten würde. Das passte überhaupt nicht zu ihrer Persönlichkeit. Während der gemeinsamen Schulzeit war die Freundin die extravagantere, kontaktfreudigere von ihnen gewesen, die stets im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit gestanden und diesen Zustand genossen hatte. Sie war schön, reich und ungeheuer beliebt. Die Vorstellung, sie könne ihr sorgenloses Leben aufgegeben und die ewigen Gelübde abgelegt haben, machte Emilie fassungslos, und sie fragte sich, welches Ereignis in den wenigen Jahren, die sie und Reina getrennt gewesen waren, dazu geführt hatte, die Freundin derart zu verändern.
„Du hast mir nie erzählt, Reina ..." , begann sie verblüfft.
Zum ersten Mal, seit sie Monterey verlassen hatte, lachte Reina fröhlich auf. „Ich hatte keine Zeit, dir das zu erzählen", erklärte sie.
„Was soll das heißen, du hattest keine Zeit?" Verwirrt furchte Emilie die Stirn. Reinas Verhalten verwunderte sie. Sie wusste, angehende Nonnen verbrachten ein volles Jahr als Novizinnen im Kloster, ehe sie die ewigen Gelübde ablegten. In all den Monaten hätte Reina bestimmt die Zeit gehabt, sich mit ihr in Verbindung zu setzen.
Reina lachte erneut und fühlte sich sehr gelöst, da sie nun in Sicherheit war. „Ich bin keine Nonne, Emilie."
„Du bist keine Nonne?" Emilie war noch verdutzter.
„Ich will damit sagen, dass dieser Habit nur eine gut ausgewählte Verkleidung ist", vertraute Reina der Freundin an.
„Eine Verkleidung? Wieso musstest du dich verkleiden?" Nun war Emilie wirklich perplex. „Und wo ist dein Vater? Begleitet er dich nicht?" fragte sie misstrauisch, weil sie den Eindruck gewann, dass etwas nicht in Ordnung war.
„Nein, er ist nicht hier. Soweit ich weiß, ist er immer noch in Kalifornien", antwortete Reina kühl. Sobald sie die beunruhigte Miene der Freundin bemerkte, wurde sie ernst, und ihr fröhliches Lächeln schwand. „Setz dich, Emilie. Ich habe dir viel zu erzählen."
„Das nehme ich an", erwiderte Emilie. „Nachdem ich gestern deine Nachricht erhalten hatte, du seiest hier, war ich sehr aufgeregt. Mama glaubt, dein Vater sei bei dir, und hat daher darauf bestanden, dass ich euch beide einlade, unsere Gäste zu sein, so lange ihr bleiben wollt."
„Ich hatte gehofft, dass ihr das anbieten würdet", sagte Reina und lächelte scherzhaft.
„Natürlich!"
„Ich hoffe nur, deine Mutter wird nicht anderen Sinnes, wenn sie erfährt, dass nur ich hier bin."
„Sei unbesorgt, Reina. Im Gegenteil, sie wird nur noch mehr darauf bestehen, dass du bei uns wohnst. Aber erzähl mir endlich, was vorgefallen ist!"
Reina nahm den Schleier ab, setzte sich neben der Freundin in einen Sessel und zog die Haarnadeln aus der Frisur. Dann schüttelte sie den Kopf, so dass ihr volles rabenschwarzes Haar ihr gelöst auf die Schultern fiel.
Sie atmete tief und beruhigend durch und fing dann an, Emilie alles zu erklären. Sie erzählte ihr von der unglaublichen Entscheidung des Vaters, sie mit einem Mann zu verloben, den sie nicht ausstehen konnte, und von seinem kaltblütigen Entschluss, einen Kopfgeldjäger anzuheuern, der sie aufspüren und nach Hause zurückbringen sollte.
Sie verschwieg Mr. Cordells Namen, weil sie befürchtete,
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