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0330 - Der Seelenwächter

0330 - Der Seelenwächter

Titel: 0330 - Der Seelenwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf Michael
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kraftvollen, unbesiegbaren Helden machte, der Löwen erwürgen konnte«, erzählte Chiron schmunzelnd, während er Blätter in den Händen verrieb und in einer Schale mit anderen Pülverchen mischte. »Die Königin erkannte bald, daß der gewaltige Heros gar nicht so unbesiegbar war – und machte ihn zu ihrem Sklaven. Sie zwang ihn sogar, sich an denWebstuhl zu setzen und Frauenarbeit zu machen. Auch nachdem Herkules von seinen Freunden aus dieser unwürdigen Haft befreit wurde, hat er es nie gewagt, wiederzukommen und sich zu rächen, wie er es mit den anderen Königen getan hat, die ihn beleidigten. Diese Schmach saß zu tief in seiner Seele!«
    »Was wurde aus Herakles?« wollte Zamorra wissen.
    »Das entzieht sich meiner Kenntnis!« entgegnete Chiron. »Ich starb vor ihm!«
    Bevor der Meister des übersinnlichen weitere Fragen stellen konnte, ließ sich der Zentaur neben Carsten Möbius nieder und hielt die Schale mit einer zähen Flüssigkeit an seine Lippen. Zamorra sah, daß der Freund krampfhaft schluckte, dann nieste und die Augen aufschlug.
    »Hallo, Petrus!« sagte er als er das weißgraue Haar und den Bart des Chiron sah und produzierte ein schwaches Lächeln.
    »Ich kenne kein Wesen mit Namen Petrus!« gab der Zentaur zurück.
    »Wir sind in der griechischen Unterwelt!« erläuterte Zamorra dem Freund die Situation. »Das ist Chiron, der edle Zentaur. Er versteht alle Arten der Heilkunst und hat dich gerettet!«
    Im folgenden stellte sich Professor Zamorra dem Zentauren vor und berichtete lückenlos, warum sie den Weg hier herab gemacht hatten.
    »Du sagtest, daß euer Freund sehr kriegerisch veranlagt ist!« Der Zentaur wiegte den Schädel. »Das ist nicht gut. Denn dann findet ihr ihn dort, wo sich die Gefallenen aller Kriege aufhalten. Und deren Charakter ist auch im Tode nicht besser geworden. Sie wollen immer noch Kampf und Rache. Zwar bekriegen sie sich nicht untereinander – doch gegen Fremde versuchen sie, zu Felde zu ziehen. Ich bin immer ein Wesen des Friedens gewesen und will mit diesen Streithähnen nichts zu tun haben. Wenn ihr wollt, bringe ich euch bis zur Grenze dieses Abschnittes, wo sie wandeln. Aber mehr vermag ich nicht!«
    »Und wo werden wir das Mädchen finden?« fragte Zamorra.
    »Sie trug doch ebenfalls Waffen!« gab Chiron zurück. »Sei gewiß, daß sie an seiner Seite ist!«
    »Vielleicht sind sie schon erschlagen!« unkte Carsten Möbius. »Wenn sie dort Kriege und Feldschlachten führen?«
    »Sie sind bereits tot und können sich untereinander weder verletzen noch in eine andere Bewußtseinsebene versetzen!« erläuterte Chiron.
    »Nur ein Sterblicher, der herabsteigt und stark genug ist, kann der Seele eines Abgeschiedenen den ewigen Frieden geben. Orpheus hat es damals versucht. Er wollte seiner Gemahlin Euridyke das ewige Wandeln ersparen. Doch er war schwach – und starb an dem Grauen, das sich seinen Augen bot. Jetzt wandelt er an ihrer Seite durch diese Gefilde, die den Friedfertigen vorbehalten sind.«
    »Wenn einer von uns mit einer Waffe einen der Toten so trifft, daß es im Leben sein Tod gewesen wäre, dann wird er auf eine andere Bewußtseinsebene geschleudert!« faßte Professor Zamorra zusammen.
    »Das ist richtig!« gab Chiron zurück. »Bis hierher drang die Kunde, daß jener wilde Krieger, den sie den großen Ajax nannten, hinübergegangen sei!«
    Das war alles, was Zamorra wissen wollte. Denn er war es, der in der Unterwelt mit Ajax gekämpft hatte. Er konnte ihn besiegen, indem er ihn mit dem Schwert, mit dem er sich selbst den Tod gab, an der gleichen Stelle traf, wo er sich in seinem Zelt vor Troja die Todeswunde zufügte.
    Jetzt kannte er die Chancen, die sie hier unten hatten. Aber es sah nicht so aus, als ob diese Chancen besonders gut waren…
    ***
    Leonardo de Montagne und seine Begleiter hatten einen anderen Weg.
    Da ihre Siegel korrekt waren und der Eintritt in die Scheol nicht erzwungen, hatten sie weder die Gefahr der gräßlichen Schlucht der versteinerten Leiber noch die Stromschnellen des Acheron zu überwinden.
    Sie traten hinüber in die Welt des Tartaros, wo die Friedfertigen ihre Heimstatt haben. Sie durchschritten die Scharen der Toten, die in stillem Gedenken an die Tage des Erdenwandelns über die Asphodeloswiesen mehr schwebten als schritten. Sie erwiderten keinen Gruß und antworteten nicht auf Fragen.
    Leonardo hatte sein Schwert vorgestreckt und schien damit die Richtung anzupeilen, in der sie Chandras, den Diener des Astaroth

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