0330 - Der Seelenwächter
unserer kurzenWanderung festgestellt haben, werden hier unten diverse Feindschaften weiter ausgetragen!«
»Versuchen wir, ihnen auszuweichen!« empfahl Uromis. Doch da war es bereits zu spät. Denn Paris hatte seinen Feind aus den Tagen seines Lebens schon erspäht.
»Ha, du Hundesohn!« schrillte seine triumphierende Stimme. »Hat meine Suche endlich Erfolg? Ich wußte ja, daß du irgendwann den Weg hierherfinden würdest. Im Leben bist du mir entgangen – doch hier unten kannst du nicht entfliehen!«
»Ich bin nie vor dir geflohen!« gab Michael Ullich zurück und schob Corinna hinter sich. Obwohl er ein gestaltloser Schatten war, herrschten für ihn hier unten vergleichbare Zustände wie auf der Erde. Er war bekleidet und hatte auch die Waffen, die er auf dem Film-Set schwang.
Corinna und Uromis ging es genauso. Nur mußte Astaroths Erzkanzler erst mal sehen, was sich hier überhaupt abspielte. Und Corinna hatte Angst vor einem Kampf, wenn er nicht gestellt war.
»Vor einem Feigling wie dir weiche ich nicht zurück, Paris!« setzte Ullich mit besonderer Betonung jeder Worte hinzu. »Ich sehe, daß du hier unten Waffen trägst. Zeige mir einmal, ob das nur Dekorationsgegenstände sind, die deinen Revuekörper besonders heldenhaft und athletisch erscheinen lassen sollen.«
»Ich habe es nicht nötig, mit dir zu kämpfen, Barbar!« giftete Paris und wich etwas zurück. »Hier unten habe ich die tapfersten Trojaner, die mir im Leben treu ergeben waren, um mich versammelt!«
»Es gab nur einen Trojaner, der für mich ein tapferer Mann war!« erklärte Michael Ullich. »Hier sehe ich seinen Schatten nicht. Wo ist Hektor?«
Paris antwortete nicht. Er schien verlegen zu sein. Hektor war es seinerzeit, der Michael Ullich im Kampf besiegt und verschont hatte. Und er hatte den Jungen gegen die Heimtücke des Paris geschützt. Erst als Hektor gefallen war, konnte Paris seine finsteren Pläne durchsetzen und Michael auf dem Altar der gräßlichen Totengötter opfern.
»Hektor hat sich mit den Schatten der Fürsten, die vor Troja kämpften, ausgesöhnt!« sprach ein ehemaliger Trojaner anstelle von Paris. »Charon kann sie nicht über den Styx fahren, weil ihre Namen immer noch unvergessen sind. Er ist dort, wo sich Agamemnon, Menelaos, Nestor und die anderen Völkerfürsten aufhalten und redet mit ihnen über vergangene Zeiten und die Narrheit, sich wegen einer Frau zu bekämpfen!«
»Schweig still, Lynkos!« fauchte ihn Paris an. »Du bist mein Gefolgsmann und nicht einer der Getreuen von Hektor. Und du wirst für mich und in meinem Namen gegen meinen Feind kämpfen!«
»Wie schön war es doch bei meinen germanischen Vorfahren, wo immer der Fürst die Keilformation des Heeres anführte!« lachte Michael Ullich. »Aber nur zu. Schicke mir die Krieger entgegen. Ein kleines Vorgeplänkel kann nicht schaden. Es erwärmt die Muskeln und den Körper und bringt mich erst in Laune! Dich, mein lieber Paris, hebe ich mir zum Dessert auf!«
Mit diesen Worten konnte der Prinz von Troja, moderner Ausdrucksweise unkundig, nicht viel anfangen. Aber er spürte den Hohn in den Worten.
»Zum Angriff!« schrie er mit lauter Stimme und gab zwei gerüsteten Kriegern einen Stoß, der sie vorwärts taumeln ließ.
Michael Ullich reagierte blitzartig. Er riß das Schwert aus der Scheide und ließ es mit der Spitze voran einen sirrenden Kreisbogen beschreiben. Ein Hieb der alten Fechtkunst Japans, den die Trojaner nicht erwartet hatten.
Die Rüstungen wurden im Heranstürmen getroffen, bevor sich die Angreifer noch mit ihren mächtigen Rundschilden decken konnten. Die Spitze schnitt durch das Leder der Rüstung hindurch. Eine Wunde, die bei einem Sterblichen tödlich gewesen wäre. Und auch hier hatte dieser Hieb seine Wirkung. Die beiden Angreifer strauchelten und fielen rückwärts zu Boden.
Paris stieß einen röhrenden Wutschrei aus.
Dann befahl er den Angriff für alle Mann zugleich…
***
Professor Zamorra konnte nur Konturen des Ganges erkennen. Die Szenerie glich einer Tropfsteinhöhle. Nur daß die Stalagmiten hier die Formen von Knochen aller Arten von Lebewesen hatten. Ein Reich des Grauens breitete sich vor ihm aus. Zamorra hatte es längst aufgegeben, nach dem »Warum« zu fragen oder Dinge im voraus abschätzen zu wollen.
Hier in der Scheol war alles anders.
Und dann hörte er die leisen Schritte, die langsam auf ihn zukamen.
Es war nicht das Schweben, das sie von den Seelen der Abgeschiedenen kannten. Richtige
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