0330 - Die lebende Legende
hatten wir nur gesucht. Ich hoffte stark, daß sich das bald ändern würde.
Ich wandte mich an Yakup. »Wie viele Typen hast du eigentlich gesehen, als deine Freundin umgebracht wurde?«
»Das weiß ich nicht mehr genau. Ein halbes Dutzend werden es schon gewesen sein.«
»Das ist nicht gut.«
Wir passierten die in der Straße stehenden voll besetzten Bänke und tauchten anschließend in die Passage ein, wo die Geschäfte in mehreren Etagen lagen und man über Rolltreppen die Stockwerke erreichen konnte.
Alles war wunderschön angelegt und vor allen Dingen angenehm kühl.
Zudem herrschte Betrieb. Diese Einkaufsmöglichkeit schien von den Bewohnern angenommen worden zu sein.
Wir erreichten den Schuhladen. Er lag im ersten Stock, besaß eine sich zur Passage hin öffnende Front, wo allerlei Dinge aufgebaut worden waren. Körbe mit Billigschuhen, Sandaletten oder Handtaschen.
Wir betraten den Laden.
Hier war es nicht so voll. Um die Mittagszeit holten die meisten ein wenig Atem. Eine kleine, freundlich lächelnde Negerin trat auf uns zu und erkundigte sich nach den Wünschen.
Kaum hatte sie einen Blick in Yakups Gesicht geworfen, als ihr Lächeln versteinerte. »Kenne ich Sie?«
»Ja, wir haben uns schon gesehen. Ich gehörte zu Helen.«
Das Gesicht der Schwarzen verschloß sich. Es nahm einen sehr traurigen Ausdruck an. »Ja, Helen, es tut mir so leid.«
»Das weiß ich«, erklärte Yakup. »Allen tut es leid, aber deswegen sind wir nicht gekommen. Können wir den Geschäftsführer bitte sprechen oder den Besitzer?«
»Den Besitzer kenne ich nicht. Wir haben nur einen Geschäftsführer oder Filialleiter. Mr. Oziko…«
»Was sagen Sie da?« unterbrach ich das Mädchen. »Wie heißt der Mann?«
»Mr. Oziko. Er ist Japaner. Wir gehören einem japanischen Konzern an. Nippon Shoe’s.«
War das die Verbindung? Das Mädchen sah unsere versteinerten Gesichter und fragte: »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
»Nein, meine Liebe, genau das richtige.«
»Bekomme ich Ärger?« Sie wurde auf einmal nervös. »Der Job ist zwar nicht gut bezahlt, ich bin aber froh, daß ich…«
»Nichts wird Ihnen passieren. Sagen Sie uns nur, wo wir Mr. Oziko finden können?«
»Er ist in der Pause.«
»Und wo?«
»Es gibt hier einige Schritte weiter eine kleine Bar, die…«
»Kenne ich«, sagte Yakup. »Und vielen Dank noch mal für deine Mühe.«
Wir ließen ein etwas verstört wirkendes Girl stehen, als wir weitergingen und die Bar suchten. Lange brauchten wir nicht zu gehen.
Das Lokal fanden wir in einer schattigen Ecke. Vor der mit einer Gardine verdeckten Scheibe standen zwei Tische und drei Stühle.
Drinnen war mehr los. Wir hörten die Stimmen der Gäste.
Als wir eintraten, wandten sich die Köpfe der meisten Anwesenden uns zu. Es waren nur Männer vertreten. Und zwar schöne Männer.
Schlank, schmalhüftig, so richtig nach Mode und Werbung duftend. Sie trugen Sachen, die ich nie anziehen würde. Hier einen Schal, da eine Rüsche, ein Käppi, Pumphosen und sehr weit geschnittene Hemden.
Das waren wirklich Schönlinge, die sich an der Theke drängten und über ihre Problemchen diskutierten.
San Francisco hat ja den Ruf, Hochburg der Homos zu sein. Hier bekamen wir diesen Ruf bestätigt.
»Ei, ei, ei, wer kommt denn da«, wurden wir von einem schwarzhaarigen Typ angesprochen, wobei er gleichzeitig mit seinen künstlichen Wimpern klimperte.
»Wir sind die Osterhasen«, erklärte ich, als ich mich an ihm vorbeidrängte, denn ich hatte im Hintergrund sitzend einen japanischen Gast erkannt. Das war bestimmt Oziko.
»Dann habt ihr ja eure Eier mit«, rief der Schwarzhaarige und lachte hell über seinen Witz.
Oziko hockte an einem der kleinen Tische. Es standen nur zwei Stühle zur Verfügung. Ich holte mir noch einen, während Yakup bereits seinen Platz einnahm und von dem Japaner mit einem ärgerlichen Blick bedacht wurde, weil er sich nicht woanders hinsetzte.
»Es sind noch andere Plätze frei«, hörte ich ihn sprechen, als ich mit meinem Stuhl kam.
»Wir wollten aber zu Ihnen«, erklärte ich.
Jetzt schaute er auf. Oziko paßte nicht zu den Leuten am Tresen.
Er trug einen dunkelgrauen Anzug, hatte die Krawatte exakt gebunden und das dunkle Haar gescheitelt. Er musterte uns durch die Gläser einer Goldrandbrille.
Sein Blick war leicht ärgerlich. Die japanische Höflichkeit ging nicht so weit, daß er uns noch einlud.
Bevor er etwas sagen konnte, hatte ich bereits das Wort übernommen.
»Es geht um
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