0331 - Urwelt-Horror
dieses Buches so spurlos verschwunden wären wie Monica Peters, wäre das nicht unbemerkt geblieben. Es hätte Schlagzeilen in der Presse gegeben, die mit Sicherheit auch bis nach Frankreich, bis ins Loire-Tal, bis ins Château Montagne geschwappt wären. Nichts dergleichen war geschehen. Also mußte dieses Buch mit seiner versteckten Magie, von der der Autor mit Sicherheit nichts ahnte, weil er selbst kein Magier war, nur einen ganz kleinen, speziellen Kreis von Menschen ansprechen.
Besonders ausgewählte Menschen. Menschen mit besonderen Fähigkeiten.
Para-Fähigkeiten, wie sie die Peters-Zwillinge oder Zamorra selbst besaßen!
Es konnte natürlich sein, daß ausschließlich dieses eine Buch behandelt wurde. Aber die Art, wie die Magie sich bemerkbar machte, deutete nicht darauf hin. Die Magie saß in den Worten, sie kauerte versteckt im Hintergrund und kam erst beim intensiven Lesen zum Vorschein, nicht beim bloßen Betrachten der Buchstaben.
Zamorra ließ Raffael Bois zu sich kommen, den zuverlässigen alten Diener. Der besaß mit hundertprozentiger Sicherheit keine Para-Fähigkeiten.
»Bitte, Raffael… wundern Sie sich über nichts, setzen Sie sich hin und lesen Sie sich die nächsten vier, fünf Seiten aufmerksam durch.«
Raffael hatte es schon vor Jahren aufgegeben, sich zu wundern. Wenn sein Chef ihm eine Lesepause verordnete, warum sollte er sie dann nicht ergreifen? Ärgerlich war nur, daß er nur ein paar Seiten lesen sollte, ohne zu begreifen, worum es überhaupt ging.
Zamorra dagegen beobachtete Raffael wachsam. Er war bereit, den alten Diener jederzeit aus seiner Lese-Versunkenheit zu reißen, sobald sich Anzeichen eines beginnenden Verschwindens bemerkbar machten.
Als nach der zehnten Seite noch nichts geschehen war, wußte Zamorra, daß sein Verdacht stimmte. »Raffael, wenn das Buch Sie interessiert, bitten Sie die Besitzerin, es Ihnen auszuleihen.«
»Mit Vergnügen, Monsieur«, erklärte Raffael, der Deutsch so fließend las wie Zamorra und Nicole. »Haben Sie sonst irgend welche Wünsche?«
»Außer Steuerbefreiung auf Lebenszeit im Moment eigentlich nicht«, sagte Zamorra halbwegs zufrieden.
In seinem Hinterkopf entstand ein Plan.
***
Die Spinne zögerte am Rand des Netzes. Ihre Punktaugen richteten sich auf Monica, versuchten abzuschätzen, was das für eine Beute war, die da unvermittelt ins Netz geflogen war.
Monica versuchte sich zu befreien. Aber sie klebte fest. Sie sah an den fast fingerdicken Fäden in dichten Abständen die Klebepunkte. Die Spinne bewegte sich mit ihren Greiffüßen so, daß sie zwischen den Klebepunkten hindurch griff. Monica aber war in voller Größe ins Netz geschleudert worden und saß an mindestens vierzig, fünfzig Punkten zugleich fest. Es war aussichtslos, sich befreien zu wollen.
Der Dolch, den sie immer noch umklammert hielt, konnte ihr auch nicht viel helfen. Sie konnte nur den Unterarm bewegen und hatte damit nicht genug Aktionsradius. Trotzdem versuchte sie es, die Fäden mit der Klinge zu berühren. Sie senkte den Unterarm gerade so weit, daß sie damit nicht auch noch festklebte, und begann einen Netzfaden zu durchtrennen.
Das Messer zerschnitt ihn, auch den zweiten, aber damit hatte sich auch schon alles. Mehr war einfach nicht zu machen, an die anderen Fäden kam sie nicht heran. Sie konnte ihren Körper, ihre Gliedmaßen ein wenig biegen, zog dabei aber die Netzmaschen wie Gummi mit sich.
Sie hatte keine Chance, aus eigener Kraft loszukommen.
Die Spinne beobachtete nur. Sie schien sich noch für die Art ihres Opfers unschlüssig zu sein. Dann aber gab sie sich einen Ruck und kam näher.
Monica stöhnte auf.
Sie umklammerte den Dolch fester, versuchte ihn so zu halten, daß sie ihn als Waffe benutzen konnte, obgleich er ihr bei ihrer mangelnden Bewegungsfreiheit kaum nützen würde. Aber die Spinne war vorsichtig.
Sie schien nicht zum ersten Mal Metall zu sehen, umging Monica und näherte sich jetzt von der anderen Seite.
Wieder verhielt sie, schien zu wittern.
Monica sah die riesigen Beißzangen, die ohne weiteres geeignet waren, menschliche Gliedmaßen zu durchschneiden. Von der Spinne ging ein bestialischer Gestank aus. Das Insekt kam jetzt endgültig heran.
Monica schrie, schrill und laut.
Die Spinne interessierte das nicht. Sie betastete Monica mit ihren Beinen.
Übelkeit stieg in dem Mädchen auf, als die borstenhaarigen Spinnenbeine über ihren Körper strichen, hier und da zudrückten, als wollten sie die Festigkeit
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