0332 - Die Pest aus den Slums
eine Kugel zu verpassen versucht, und ich hatte sie dabei nicht fassen können.
Ich war Allan Surths Mörder begegnet. Ich hatte ihn angeschossen, aber er war mir durch die Lappen gegangen.
Pal Luck war mit zwei Kugeln im Körper gefunden worden, und endlich sah es so aus, als könnte ich die Lescort-Gang hinter Gitter bringen, aber wieder mußten Lescort und Seine Leute auf freien Fuß gesetzt werden.
Im Grunde genommen stand ich immer noch am Anfang. Zwar hatte ich erfahren, wer Allan Surths Mörder war, aber ich wußte noch nicht, was Allan herausgefunden hatte, bevor er erschossen wurde.
Seit achtundvierzig Stunden suchten Cops und G-men fieberhaft nach Roger Scash, aber bis zu dieser Stunde war die Suche ohne Ergebnis geblieben. Ich begann zu glauben, daß Pal Lucks Messer sein Werk getan hatte, obschon der Mann, der es führte, den Mord mit dem Leben bezahlt hatte.
Ich fuhr mit der Subway bis zum Longwood Place und ging zu Fuß durch den ganzen Hunts-Point-Bezirk bis zur Barry Street. Als ich das Haus, in dem mein Zimmer lag, erreichte, war es kurz vor Mittag. Ich stieß in der Tür mit Ann Raven zusammen.
Sie lächelte schüchtern, als sie mich sah.
»Hallo, Ann! Wie geht’s Ihrem Vater?«
»Danke, es geht ihm wieder gut. Der Unfall war nicht so schwer, wie es zuerst aussah.«
»Er hatte einen Unfall?«
»Ja, er zerschrammte sich das ganze Gesicht bei einem Sturz. Ich erschrak zu Tode, als er nach Hause kam. Sein ganzes Gesicht war voll Blut.«
Ich begriff, daß John Raven seiner Tochter verschwiegen hatte, daß die Lescort-Gang ihn durch die Mangel gedreht hatte.
»Arbeitet er wieder?«
»Ja, er hat überhaupt nicht krankgefeiert.«
»Was treibt Ihr Bruder?«
Ihr Lächeln erlosch.
»Tom macht uns Sorgen«, antwortete sie. »Bitte, entschuldigen Sie mich jetzt. Ich muß noch etwas einkaufen.«
Sie ging die wenigen Stufen der Eingangstreppe hinunter, drehte sich auf der Straße noch einmal um und lächelte mir zu. Sie trug ein einfaches Kleid und .sie wirkte mit ihren hellen Haaren und dem bunten Kleid zwischen den düsteren Häusern wie ein verirrter Schmetterling.
Auf der anderen Straßenseite standen zwei Halbstarke in Lederjacken, Burschen von der Sorte, mit denen ich am ersten Abend aneinandergeraten war. Sie pfiffen gellend bei Ann Ravens Anblick. Ich sah zu ihnen hinüber, aber sie belästigten das Mädchen nicht weiter, sondern blieben, krummrückig und nachlässig, an der Hauswand stehen, an der sie lehnten, als wären sie angeklebt.
Ann Raven beachtete die Boys nicht. Ich sah ihr nach, bis sie in die Oak Point Street einbog.
Als ich die Treppe zu meinem Zimmer hinaufstieg, glaubte ich für einen Augenblick, einen Schrei zu hören, aber das Geräusch war so verweht und vom ständigen Lärm des Verschiebebahnhofes übertönt, daß ich es nur im Unterbewußtsein registrierte und ihm keine Bedeutung beimaß.
***
Ich benutzte den Nachmittag dazu, in der Coster Street nach irgendeiner Fährte zu suchen, die mich näher an Roger Scash heranbringen konnte. Es war ein sinnloses Unterfangen. Falls Scash noch lebte, so hielt er sich bestimmt in einer ganz anderen Ecke New Yorks auf.
Gegen sieben Uhr abends gab ich auf, ging in den nächsten Drugstore und bestellte mir ein Abendessen. Das Essen war noch nicht gebracht worden, als sich die Tür öffnete, und Harry Lescort hereinkam. Er steuerte sofort meinen Tisch an.
»Ich versuche den ganzen Tag schon, dich zu erreichen, G-man«, sagte er. »Kann ich mich setzen?«
Ich deutete mit einer Kopfbewegung auf einen Stuhl.
»Ich habe nicht gemerkt, daß einer deiner Leute hinter mir herschlich. Hast du dir neues Personal angeschafft?«
Er beantwortete die Frage nicht.
»Ich will mich mit dir verständigen, G-man.«
Ich lachte. »Hoppla, woher der plötzliche Sinneswandel. Also los, Lescort! Leg ein Geständnis ab. Das ist die beste Art der Verständigung zwischen dir und dem FBI.«
»Zum Henker«, fluchte er, »ich habe es satt, mich von euch als Gangster behandeln zu, lassen. Ich bin kein Gangster.«
»Das Lied singt jeder, wenn ihm das Wasser bis an den Hals zu steigen droht.«
»Reden wir vernünftig miteinander, G-man«, sagte Lescort in fast beschwörendem Ton. »Okay, du wirst wahrscheinlich der Meinung sein, daß manche Dinge, die ich treibe, nicht mit dem Gesetz in Einklang stehen. Du kannst nicht verlangen, daß ich dir das auf die Nase binde.« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Aber mit all den Sachen, mit denen
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