0332 - Inferno
Kristall. »Ich habe ihn gerade mal abgetastet. Der Bursche ist stumpfsinniger als eine Laus und nur auf Beute und Fressen bedacht. Sei froh, daß er zu hoch flog, um uns zu entdecken.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Nicole. »Die Drachen von Schloß Coriella im Wunderwald…«
Sie unterbrach sich.
Vierundzwanzigtausend Jahre waren eine lange Zeit. Selbst für langlebige Drachen. Sie konnte nicht davon ausgehen, daß die Entwicklung vor Drachen halt machte. Vor vierundzwanzigtausend Jahren hatte der Mensch noch in Höhen gewohnt und Jagdbilder in den Stein gekratzt. Damals hätte man von bemannter Weltraumfahrt nicht einmal träumen können.
»Wie kommen wir dorthin, wo der Träger des anderen Dhyarra-Kristalls sich befindet?« fragte Uschi. »Auch wieder mit so einem Sprung durchs Nichts?«
»Ich müßte die Entfernung festlegen«, sagte Ted. »Vielleicht brauchen wir die Magie nicht. Ich springe nämlich nur ungern ins Ungewisse. Laßt mir mal ein wenig Ruhe.«
Die beiden Mädchen sahen sich an und nickten.
Plötzlich zuckte Uschi zusammen. Ihre Augen weiteten sich.
»Was hast du?« fragte Nicole.
»Ich… ich habe wieder Kontakt«, stieß Uschi erregt hervor. »Meine Telepathie ist wieder da! Ich spüre -Monica! Sie ist da, sie lebt!«
Ted Ewigk fuhr herum, in seiner Konzentration gestört.
»Sie lebt«, schrie Uschi. »Aber sie -sie ist in Gefahr! Wir müssen ihr helfen, sofort!«
»Wo?« fragte der Reporter nur.
Uschi stöhnte auf.
»Ja, wo… ich fühle sie, aber ich fühle nicht, wo sie sich befindet! Da ist etwas Fremdes, das… aaah!« Sie preßte die Hände an die Schläfen und krümmte sich. »Etwas Furchtbares, das…«
Im nächsten Moment sank sie bewußtlos zusammen…
***
Monica Peters stürzte.
Die Plattform im Freien, auf die sie hinausgerannt war, war nur klein, und unter ihr gähnte ein Abgrund von rund acht bis neun Metern. Genug, sich das Genick zu brechen…
Es ging alles blitzschnell.
Sie schrie auf, als sie den Boden unter den Füßen verlor, sackte durch. Im nächsten Moment war der Drachensklave hinter ihr da. Eine Hand packte nach Monicas Handgelenk, erwischte es noch. Sie glaubte, der Arm würde ihr ausgekugelt. Es gab einen heftigen Ruck, und sie schaffte es gerade noch, sich halb zu drehen und abzufedern, sonst wäre sie mit Wucht gegen die rauhe Tempelwand geschlagen. Aber der Ruck ließ den Drachensklaven, der bäuchlings auf die Plattform gestürzt war und Monica gerade noch erwischt hatte, den Halt verlieren. Er rutschte, konnte sich nicht mehr festkrallen und kippte jetzt ebenfalls über die Plattform. Monica schrie auf.
Der Drachensklave stieß einen schrillen Laut aus.
Neun Meter!
Der Sturz spielte sich blitzschnell ab.
Aber irgendwie - Monica begriff es hinterher selbst nicht mehr - war der Drachensklave plötzlich unter ihr, als sie beide aufprallten. Sein Körper dämpfte ihren Sturz ab. Sie hörte etwas knacken. Der Drachensklave keuchte heiser. Ein grünlicher Blutfaden rann aus seinem halb geöffneten Rachen.
Entsetzt sah Monica ihn an. Er lag unter ihr und röchelte.
»Warum…?« hörte sie ihn mit ersterbender Kraft zischen. »Warum das…?«
Gab es überhaupt eine Antwort auf eine solche Frage? Warum kam der Tod? Warum zu diesem Wesen?
Die Augen wurden stumpf, glanzlos. Das heisere Keuchen war verstummt. Der Drachensklave war tot.
Monica wußte nicht, ob er sich bewußt so bewegt hatte, daß er zuerst aufprallte, als er erkannte, daß nichts mehr den tödlichen Sturz aufhalten konnte. Hatte er sie mit seinem Körper schützen wollen? Oder war es ein makabrer Zufall gewesen?
Sie würde es niemals erfahren.
Langsam richtete sie sich auf, löste sich von dem toten Wesen, wollte ihm die Augen schließen. Aber der Echsenmann besaß keine Lider.
»Finde deinen Seelenfrieden«, sagte sie leise. »Jetzt - hast du die Freiheit, die dein Volk ersehnt.«
Tiefe Bitterkeit war in ihr. Sie fand das Amulett und das Schwert, das sie bei ihrem Sturz losgelassen hatte, und nahm beides wieder an sich. Für den Toten konnte sie nichts mehr tun. Sie mußte zusehen, daß sie selbst überlebte. Sie hatte den Tempel verlassen. Jetzt mußte sie so schnell wie möglich untertauchen.
Das Amulett vibrierte nicht mehr.
Und - sie begriff, daß sie nicht mehr unsichtbar war. Denn wenn der Drachensklave sie nicht gesehen hätte, als sie sich über die Plattform schnellte, hätte er nicht nach ihr greifen, sie festhalten können.
Sie sah sich hastig um, blickte
Weitere Kostenlose Bücher