0332 - Inferno
seine krallenbewehrte Schuppenhand zum Schwertgriff. Da riß Monica die Tür auf und stürmte hindurch.
Der Drachensklave stieß einen heiseren Schrei aus und setzte ihr nach.
Aber Monica war draußen!
Über ihr war freier Himmel, unter ihr eine Plattform, und dann schaffte sie es nicht mehr, den Schwung ihres Laufs zu bremsen und wurde über die Kante getragen.
Unter ihr gähnende Leere…
***
»Erinnere dich«, murmelte Veron, der Priester mit den Dhyarra-Augen. »Versenke dich in dich selbst. Erinnere dich an das, was geschah. Der gelbe See… du solltest hindurchschwimmen auf die andere Seite… doch im See lauert der Tod…«
Zamorra hatte die Augen geschlossen.
Er vertraute dem Priester. Veron wollte sich gegen die Versklavung zur Wehr setzen — etwas anderes war es im Grunde nicht. Veron wollte versuchen, die Macht, die in Zamorra zu schlummern schien, zu benutzen, die Versklavung zu beenden oder zumindest einen ersten großen Schlag zu führen, ein Signal zu setzen.
An die Göttlichkeit des drachentötenden Gottes glaubte Veron ebensowenig wie die anderen Priester im Tempel. Wie es draußen war, war eine andere Sache. Aber Veron und seine Schicksalsgenossen hatten den drachentötenden Gott, der unsterblich zu sein schien, oft genug allzusehr mit Schwächen und Fehlern behaftet gesehen. Seine größte Schwäche war die Gier nach Macht.
Veron gehörte zu jenen, die keinen Krieg gegen Rhonacon wollten, um den Kult auch dort fortzusetzen. Veron wollte erreichen, daß die Priester ihren Dienst aus eigener Überzeugung verrichteten, daß sie ihre magische Macht aus eigenem Willen einsetzen konnten, nicht gesteuert von ihrer Gottheit. Er wollte einen Gegenpol konstituieren, und wenn es sein mußte, eine Revolution vorantreiben.
Und Zamorra war bereit, ihm dabei zu helfen.
Er wollte dabei nur seine eigenen Ziele nicht aus den Augen verlieren: Monica Peters finden und mit ihr in seine eigene Welt zurückkehren!
Er wollte Veron helfen. Aber er glaubte nicht, daß Veron viel mit ihm anfangen konnte. »Gib mir einen Dhyarra-Kristall zweiter Ordnung, und ich steuere seine Macht und helfe dir damit«, hatte er gesagt. Aber Dhyarra-Kristalle gab es hier nicht. Den einzigen besaß der drachentötende Gott, der Zamorras Ansicht nach ein Angehöriger der DYNASTIE DER EWIGEN sein mußte. Aber was tat die DYNASTIE in dieser fernen Vergangenheit hier, in der es ORTHOS und OLYMPOS noch nicht gab? Zamorra hatte geglaubt, Zeus sei der erste der DYNASTIE, gewesen, der sich in der Straße der Götter etablierte.
Aber es gab hier so viele Ungereimtheiten…
Veron aber wollte die Kraft in Zamorra wieder wecken und sie nutzen. Deshalb sollte Zamorra sich an das Vergangene erinnern; vielleicht, hofft Veron, kam dadurch der Kontakt wieder zustande.
Zamorra erinnerte sich. Er versetzte sich in Halbtrance. Er glaubte wieder mitten im Geschehen zu sein, im großen Park des grecischen Ex-Generals und Königberaters. Er mußte springen, wenn er nicht auf der Stelle getötet werden sollte. Im gelben See wimmelte es von den piranhaähnlichen Bestien, den Fressern, wie sie genannt wurden. Entweder der sichere Tod durch die Söldner des Ex-Generals, oder die schwache Hoffnung, irgendwie durch den See zu kommen, obgleich das bislang noch niemand geschafft hatte…
Der Sprung… die gelbe Flut. Die Fresser, die von allen Seiten kamen. Die unglaubliche Kraftanstrengung, der verzweifelte Versuch, doch schneller zu sein als die anderen… schneller zu sein als jeder Mensch… aber die Fresser waren am schnellsten. Und dann… Filmriß! Zamorra war erst wieder erwacht, als er am Ufer angelangt war, als die Fresser samt und sonders mit den Bäuchen nach oben schwammen, von einer gewaltigen, übermenschlichen Magie vernichtet…
Und wieder wußte Zamorra nicht, woher diese Kraft kam. Er selbst konnte sie nicht entwickelt haben, denn sie war nicht in ihm. Sie war von außen in ihn eingedrungen.
So sehr er versuchte - er fand den Ursprung nicht. Nach einer Weile löste er sich aus seiner Erinnerungstrance.
»Es hat keinen Sinn«, sagte er. »Ich finde die Quelle nicht.«
Die Dhyarra-Augen des Priesters glühten.
»Nah, und doch fern«, sagte er. »Es war jemand, der dich kennt, der nicht wollte, daß du stirbst. Ich konnte nur einen Schatten sehen. Er kommt nicht aus dieser Welt, und er ist böse. Was hast du mit dem Bösen zu schaffen?«
Überrascht sah Zamorra Veron an. »Mit dem Bösen?«
»Die Magie war schwarz«, sagte Veron.
Weitere Kostenlose Bücher