0333 - Drei Herzen aus Eis
gerichtsmedizinischen Abteilung oder in der Obduktion. Hier herrschte eine andere Kälte, und zwar die des Todes.
Die Abteilung war für einige Monate zusammengeschrumpft, weil bei uns am Yard noch immer umgebaut wurde und niemand voraussagen konnte, wann der Umbau beendet war.
Ich hoffte, daß dies sehr bald der Fall sein würde. Der federführende Arzt erwartete uns. Es war Dr. Snyder, Suko und ich kannten ihn ziemlich gut.
»Ah, da sind Sie ja«, sagte der Mediziner und legte einen Bericht zur Seite. »Ich hoffe, daß Sie mir einen Großteil der Arbeit abnehmen können.«
»Wieso?«
»Eigentlich war es oder ist es ja unser Fall, aber die Kollegen kommen nicht zurecht.«
»Was ist denn an der Toten so außergewöhnlich?« erkundigte sich mein Freund Suko.
»Das werden wir Ihnen gleich zeigen.«
Wir verließen das kleine Büro und bewegten uns auf die Tiefkühlräume zu. Ich konnte nicht vermeiden, das sich auf meinem Körper eine Gänsehaut bildete. Daran trug nicht allein die normale Kälte die Schuld, es war das Gefühl, mit dem Tod auf Du und Du zu stehen. Hinzu kam auch der scharfe Desinfektionsgeruch.
Die Obduktion war abgeschlossen worden. Die Leiche lag bereits in einer der zahlreichen Schubfächer. Wir betraten den großen Raum. Die Fliesen auf dem Boden warfen das Geräusch unserer Schritte zurück.
In mehreren Etagen standen die Kühlfächer übereinander.
Dr. Snyder zog ein Schubfach auf.
Lautlos glitt es auf den Rollen hervor. Es war nicht normal, daß man die Ermordeten mit einem Laken abdeckte, wenn sie schon verschwunden waren, hier allerdings hatte man es so gelassen.
Einige Blutspritzer klebten noch auf dem Tuch. Sie wirkten auf mich wie kleine, rote Augen.
Doc Snyder hatte sich am Kopfende der Lade aufgebaut. Seine rechte Hand hatte das Tuch umfaßt. »Seien Sie auf einen harten Anblick gefaßt«, erklärte er und schlug das Tuch zurück.
Wir standen da, starrten auf die Leiche, und ich war der erste, der einen kleinen Schritt zurückging.
Was ich sah, war schlimm.
Dem Mädchen fehlte das Herz!
***
Wir sagten nichts, sondern standen da und schauten zu Boden. Es war still geworden. Ich vernahm sogar das leise Ticken meiner Armbanduhr.
Sir James unterbrach das Schweigen. »Haben Sie genug gesehen?«
»Ja«, sagte Suko, während ich nickte.
Doc Snyder schlug das Tuch wieder über die Tote und schob die Lade zurück.
»Lassen Sie uns gehen.«
In seinem Büro zündete ich mir eine Zigarette an. Den Rauch blies ich gegen eine Scheibe. Noch immer hatten wir nicht gesprochen, bis sich der Arzt genötigt sah, uns einen kleinen Vortrag zu halten, der sehr medizinisch abgefaßt war. Wir verstanden nur die Hälfte von dem, was er überhaupt sagte.
Für uns zählte nur, daß die Tote kein Herz mehr gehabt hatte.
Ich atmete einige Male tief durch. Zwischen den Fingern fühlte ich den kalten Schweiß. Welcher Mensch konnte so grausam und gefühllos sein, diese Tat zu begehen?
Ich wußte es nicht und fragte mich dabei, ob es überhaupt ein Mensch getan hatte.
Da ich diese Frage laut stellte, wurde sie von den anderen gehört.
Sir James nahm den Faden auf. »Genau das ist das Problem, John, über das wir uns unterhalten sollten. Ich schlage vor, wir fahren in mein Büro. Einverstanden?«
»Selbstverständlich, Sir.«
Doc Snyder verabschiedete sich von uns. Falls irgenwelche Fragen auftauchten, stand er jederzeit zur Verfügung. »Auch ich will, daß dieser Killer gefaßt wird.«
»Ja, das hoffen wir.«
»Möchten Sie etwas trinken?« erkundigte sich der Superintendent, als wir ihm wieder gegenübersaßen.
»Nein, danke«, lehnte Suko ab. Ich war ebenfalls seiner Ansicht.
»Okay, dann nicht. Kümmern wir uns um den Fall.« Er schaute uns hinter seinen Brillengläsern hervor scharf an. »Wer kann daran Interesse haben, einem jungen Mädchen das anzutun? Wer?«
Wir wußten beide keine Antwort.
»Wie weit sind die Ermittlungen denn fortgeschritten?« wollte Suko wissen. »Hat man sich schon um die Person der Toten gekümmert? Ihr Vorleben ausgeforscht, es unter die Lupe genommen?«
»Nein, die Zeit war viel zu knapp. Aber das sollten Sie eigentlich machen.«
Suko ließ die Katze aus dem Sack. »Ich kenne die Tote, Sir!«
Damit überraschte er selbst Sir James. »Wieso?«
Mein Freund berichtete. Der Superintendent hörte aufmerksam zu und meinte, daß wir schon so etwas wie eine Spur hätten.
»Sie sind Optimist«, sagte ich.
»Soll ich anders denken?«
»Nein, das nicht,
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