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0333 - Einer blieb übrig

0333 - Einer blieb übrig

Titel: 0333 - Einer blieb übrig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einer blieb übrig
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Malerei übrig gehabt, sondern die schöne Frau, die sie damals war, so dargestellt, wie die Natur sie geschaffen hat.
    Ich wartete gute zehn Minuten und vertrieb mir die Zeit dadurch, mich in Gedanken mit Cecily Cortez in Öl zu unterhalten.
    Ich war so vertieft in dieses stille Zwiegespräch, dass ich auffuhr, als ich das Rascheln eines Kleides hörte. Gewiss hatte sich Mrs. Cortez verändert. Sie war voller, vielleicht etwas zu voll geworden. Aber immer noch hatte sie das süße Madonnengesicht, und immer noch trug sie die Haare straff und in der Mitte gescheitelt.
    »Was möchten Sie von mir wissen?«, fragte sie und ließ sich graziös auf den Diwan sinken.
    Sie sah nicht aus, als sei sie 45 Jahre alt.
    »Haben Sie jemals wieder etwas von Tonio Alfiori gehört?«, fragte ich unvermittelt.
    »Es hat keinen Zweck wenn Sie versuchen, mich zu überrumpeln.«, lächelte sie. »Heute ist Tonio Alfiori für mich nichts anderes als ein fast vergessener Name.«
    »Aber das war nicht immer so. Damals schickten Sie ihm Pakete ins Gefängnis, als er wegen Raubes verurteilt war.«
    Sie zuckte die Achseln und fragte: »Möchten Sie einen Drink?«
    »Nein, danke.«
    »Das ist Ihr Schaden«, lächelte sie. »Wenn Sie wissen wollen, was Tonio und mich damals verband, so will ich es Ihnen erzählen.«
    »Erzählen Sie.«
    »Zuerst möchte ich wiederholen, dass Alfiori heute nichts mehr für mich bedeutet. Vor dreißig Jahren war das anders. Ich streite gar nicht ab, dass ich stolz auf ihn war. Ich war ein kleines, armes Mädchen, dessen einziges Vergnügen der Besuch billiger Tanzlokale im Eastend war. Jede Nacht wurde ich dort von Betrunkenen und kleinen Gangstern in den Arm genommen und belästigt. Tonio holte mich da heraus. Er holte mich auch von zu Hause weg. Er kaufte mir Kleider und bezahlte ein nettes Zimmer für mich. Er war der erste Mann, der wirklich freundlich zu mir war. Mein Vater war ein Trinker und schlug mich. Darum war ich froh, von zu Hause wegzukommen.«
    Sie schwieg, ihre Augen blieben nachdenklich auf ihr Bild gerichtet. Es war, als blickten sich die beiden an, die gemalte und die lebende Cecily Cortez.
    »Ich glaube nicht, dass Sie verstehen können, was Tonio für mich bedeutete«, fuhr sie fort. »Sicher ahnte ich, woher sein Geld kam. Ich fürchtete, dass er ein Gangster war. Aber ich wagte nicht, mit Tonio darüber zu sprechen. Wäre ich vernünftiger gewesen, so hätte ich wahrscheinlich sehr schnell mit der Geschichte Schluss gemacht, aber ich war eben ein dummes kleines Mädel.«
    Mit nervösen Fingern holte sie eine Zigarette aus dem Etui. Ich gab ihr Feuer. Sie inhalierte tief, und dann sagte sie: »Die Erinnerung an die damalige Zeit ist für mich trotz allem etwas Kostbares. Sie werden das kaum verstehen können, Mr. Cotton, aber sie gab mir den Mut, das zu werden, was ich heute bin.«
    Sie schwieg. Dann fragte sie plötzlich: »Und jetzt möchten Sie, dass ich Ihnen sage, wo Sie Tonio erwischen können, um ihn umzubringen.«
    »Mrs. Cortez«, sagte ich unbeabsichtigt scharf. »Ich habe nicht die geringste Absicht, Alfiori umzubringen. Meine Absicht ist nur, Verbrechen aufzuklären oder - noch krasser - zu verhindern. Aber ich meine, dass Sie sich ein Idol zusammenphantasiert haben, ein Idol, das eben zufällig Tonio Alfiori heißt. Und Sie vergessen, dass dieser Alfiori unzählige Verbrechen begangen und zum Schluss ein kleines, unschuldiges Kind entführt und sogar, als er in die Enge getrieben wurde, ermordet hat.«
    »Vielleicht haben Sie recht, Mr. Cotton.«
    »Und haben Sie seit damals etwas von ihm gehört?«
    »Zu Anfang einige Male. Er schickte mir Geld und Geschenke aus Mexiko und dann aus Havanna. Mit der Zeit aber hörte das auf.«
    »Und haben Sie ihn auch nicht gesehen, seit er wieder hier ist?«, klopfte ich auf den Busch.
    Sie sah mich aus großen Augen an. Ich wusste nicht, was dieser Blick deutlicher verriet: Erstaunen, Schreck oder sogar tiefe Angst.
    »Ich habe nie davon gehört, dass er wieder in New York sei«, entgegnete sie, und ich hatte den Eindruck, dass sie log.
    »Sollte er sich bei Ihnen melden, so rufen Sie mich bitte an.«
    »Das werde ich tun«, lächelte sie. »Aber ich fürchte, Sie sind auf einer falschen Fährte. Selbst wenn-Tonio hier sein sollte, wird er keine Verbindung mit mir auf nehmen. Warum auch sollte er das tun?«
    Als ich ging, war ich so klug wir zuvor. Ich wusste nicht, ob ich der Frau, die inzwischen Inhaberin eines angesehenen Modesalons

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