0335 - Das Säure-Attentat
Feinde?«
»G-man, Sie können fragen wie ein kleines Kind! Warum hat ein tüchtiger Reporter Feinde? Weil er sich nicht von der Fassade dieser Gesellschaft blenden lässt, sondern daran kratzt, bis der Schmutz darunter sichtbar wird. Und diesen Schmutz will er beseitigen; ohne Rücksicht auf die Leute, die von diesem Schmutz profitieren. Und diese Leute müssen ja Feinde des Reporters sein. Ist das so schwer zu verstehen?«
»Keineswegs. Sie wollen also sagen, dass Wings Feinde ihn wegen seiner Arbeit nicht mögen? Dass sich manche vielleicht an ihm rächen wollen.«
»Manche schon«, gab Witcomb zu.
»Wer?«
»Allan Behold, zum Beispiel. Der Bursche, der mit unsauberen Methoden Wohnungen und Apartments vermittelte. Oder Nat Forster Beely, der Spielhöllen in den Arbeitervierteln betrieb. Oder die Freunde von Walter Koch, den Wing praktisch ins Zuchthaus brachte, indem er Kochs Rauschgiftgeschäfte bloßstellte. Wenn Sie mich einen Tag über dieses Thema nachdenken lassen, kriegen Sie eine Liste von Dutzenden von Leuten, die Wing bestimmt nicht gerade ins Herz geschlossen haben.«
»Okay«, sagte Phil.
»Was?«, fragte Witcomb. »Was ist okay?«
»Ich lasse Sie einen Tag darüber nachdenken. Morgen hole ich mir die Liste ab.«
Der Manager brauste auf: »Haben Sie sonst noch einen Wunsch?«
»Ja«, sagte Phil. »Kann ich jetzt Mr. Wei-Peh sprechen?«
Witcomb senkte den Kopf und schien intensiv nachzudenken. Phil wartete ab. Nach einiger Zeit hatte sich der Manager entschlossen. Er hob beinahe ruckartig den Kopf.
»Es gibt überhaupt keinen Mr. Wei-Peh«, sagte er.
***
Hackery und ich waren allein in der alten Schlosserei. Ich wartete höchstens zwei Minuten. Dann wälzte ich mich herum. Bevor die Gangster hinausgegangen waren, hatten wir uns flach auf den Bauch legen müssen. Es gab keinen Grund, in dieser Haltung auf dem kalten Steinfußboden liegen zu bleiben.
Auch der dicke Detective hatte sich umgedreht, sodass er jetzt auf der Seite lag und mich ansehen konnte.
»Wir sitzen schön in der Tinte, Cotton«, sagte er.
»Halten Sie die Daumen, dass die Burschen lange genug wegbleiben«, knurrte ich. »Versuchen Sie, ob Sie sich auf richten können. Es genügt, wenn Sie sitzen, Sie brauchen nicht auf die Füße zu kommen.«
»Was haben Sie vor, Cotton?«
»Sie werden’s gleich merken. Los, probieren Sie, ob Sie sitzen können. Stemmen Sie sich gegen meine Füße, ich will versuchen, Sie hochzudrücken.«
Ich zog die gefesselten Füße an. Hackery brachte den Oberkörper mühsam ein paar Zoll in die Höhe, aber nicht weit genug. Er war eben nicht mehr der Jüngste.
»Verschnaufen Sie einen Augenblick, Hackery«, redete ich ihm zu. »Aber dann versuchen wir es wieder, und zwar mit aller Energie. Sie müssen hochkommen, Hackery, Sie müssen!«
Er wippte zweimal und schnellte sich dann mit dem Oberkörper so weit hoch, wie er es bei seiner Körperfülle konnte. Bevor er zurückfiel, stemmte ich ihm meine Füße in den Rücken.
»Danke, G-man«, knurrte Hackery. »Für einen Augenblick fürchtete ich schon, ich würde wieder auf den Boden knallen. Drücken Sie noch ein bisschen, Sie netter Mensch, los doch, ja, noch ein bisschen - genug, ich sitze ja, wollen Sie mir das Kreuz brechen?«
Er saß tatsächlich. Ich wälzte mich zur Seite, streckte die Beine wieder aus und verschnaufte ein paar Atemzüge, dann machte ich mich an die Arbeit. Wenn einem die Hände auf dem Rücken zusammengebunden sind und die Füße genau an den Fußgelenken, und wenn dazu noch feuchte Lederriemen verwendet wurden, die in der Körperwärme allmählich trockneten und sich unaufhaltsam zusammenzogen, dann ist es ein reichlich umständlicher Job, ohne fremde Hilfe auf die Füße zu kommen.
Ich drehte mich auf die rechte Seite und zog die Knie so weit an, wie ich konnte. Danach versuchte ich, mich so herumzuwerfen, dass ich auf den Knien hockte. Es ging viermal hintereinander schief, bis ich einsah, dass ich die Knie zu weit angezogen hatte. Beim nächsten Versuch schaffte ich es.
Das Aufrichten danach war nicht mehr schwierig. Nach einem einleitenden Wippen brachte ich es tatsächlich fertig, auf die Beine zu kommen.
»Sie haben Talent für den Zirkus«, sagte Hackery.
Ich sah mich um. Hüpfend, wie Kinder es beim Sackhüpfen tun, erreichte ich das Regal mit den Blechbüchsen.
»Was haben Sie vor, Cotton?«, brummte der dicke Detektiv. »Nun sagen Sie’s endlich!«
Ich stellte mich mit dem Rücken zum Regal und fing
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