0337 - Der »Sanfte« kennt jeden Trick
er sich. Er verschwand für Monate aus New York, und er wagte sich erst vor einem halben Jahr wieder her. Er hatte Angst, die Großen könnten ihn umlegen lassen. Als er zwischen ihnen vermittelte, hatte er ziemlich viel über ihre Geschäfte erfahren. Er glaubte, sie würden einen Mann, der so viel wusste, beseitigen. So schwankte er ständig zwischen Furcht vor ihnen und Wut darüber, dass sie ihn ausgebootet hatten.«
»War Sheridan finanziell am Ende?«, fragte Phil.
»’ne Zeit lang ging’s ihm dreckig, aber in letzter Zeit verfügte er wieder über ein paar Dollar. Aber fragen sie nicht, wo er sie aufgetrieben hat. Ich weiß es nicht.«
»Haben Sie sonst eine Veränderung an ihm bemerkt?«
Sie dachte nach, und sie unterstützte die Tätigkeit ihres Gehirns durch einen dritten Whisky.
»Irgendwann, vor ein paar Wochen, war er guter Laune und redete davon, er hätte jetzt die Hand am richtigen Drücker. Ich gab nie viel auf sein Gerede, G-man. Ted faselte ständig von Riesengeschäften. Er träumte davon wie ein Tramp vom Lotteriegewinn. Jede Zehn-Dollar-Sache bauschte er zu ’ner Großaktion auf. Ich war das schon so gewohnt, dass ich gar nicht mehr hinhörte.«
Sie zündete sich eine Zigarette an.
»Wenn seine Träume dann platzten, schlug seine Laune um. Er wurde mürrisch, ängstlich und auch schweigsam. Das war vor ’ner Woche oder so der Fall.«
, »Haben Sie je Spielkarten in Sheridans Hand gesehen?«
»Welche Frage«, lachte sie. »Er pokerte mit Leidenschaft, aber er pokerte schlecht. Er war für seine Partner so gut wie ein Konto auf der Bank.«
»Das meine ich nicht. Hat er sich in irgendeiner ungewöhnlichen Weise mit Spielkarten beschäftigt?«
Sie war im Begriff, das Glas an den Mund zu führen, setzte es aber ab.
»Doch«, sagte sie, »das tat er. Ich erinnere mich, wie er mit Karten in den Händen am Tisch saß und sie sortierte. Ich fragte ihn, was er treibe, aber er knurrte nur, ich solle ihn nicht stören.«
»Wann war das?«
»Vor mehreren Wochen.«
»Aber Sie haben nie erfahren, welche Bedeutung dieser Umgang mit Spielkarten hatte?«
»Nein«, antwortete sie, »ich habe mich auch nicht dafür interessiert. Teds Angewohnheiten…« Sie unterbrach sich und sagte: »Mir fällt ein, dass er einmal Karten mit der Post geschickt bekam. Ich saß neben ihm, als er den Brief erhielt. Er öffnete ihn, sah die Karten an, zerriss sie und den Umschlag und warf alles in den Papierkorb.«
»Unternahm er sonst nichts?«
»Doch, er ging sofort weg. Ich erinnere mich, dass wir deswegen Streit bekamen, denn er wollte an dem Tag mit mir nach Longbeach hinausfahren.«
»Versuchen Sie sich genau zu erinnern, Miss Gover. Welche Spielkarten waren es? Pik-Ass? Kreuz-Ass?«
»Nein, rote und schwarze Karten durcheinander, vier oder fünf Blätter, aber ich weiß nicht, welche Werte es waren.«
»Es tut mir leid, Miss Gover, wenn ich ihnen einen harten Anblick nicht ersparen kann. Ist das Ted Sheridan?«
Ich legte ihr das Bild vor, das ich auch Cyle und Wood gezeigt hatte, jene Polizeiaufnahme aus der Frost-Villa, die den Körper des Einbrechers zeigte, auf dem Gesicht liegend, die linke Hand in den Teppich gekrallt.
»Ist das Sheridan?«
Die Hand der Frau zitterte, als sie das Bild betrachtete.
»Ich kann sein Gesicht nicht sehen«, antwortete sie heiser, »aber ich denke, dass es Ted ist. Der Anzug, die Gestalt und die Haare stimmen.«
Ich verzichtete darauf, ihr das andere Bild zu zeigen.
»Sie sehen die Waffe neben der Hand. Kennen Sie die Waffe? Haben Sie das Ding je bei Sheridan gesehen?«
»Nein, ich habe nie eine Waffe in seiner Hand gesehen. Ich sagte Ihnen schon, dass er nichts davon verstand.«
Ich ließ mir die Aufnahme zurückgeben. Phil und ich verabschiedeten uns von der Frau, diesem paar Jahre ihres Lebens an einen Gangster verschwendet hatte.
Als wir wieder im Jaguar saßen, meinte Phil: »Wenn die Identität des Mannes in der Frost-Villa nicht einwandfrei feststünde, würde ich daran zweifeln, dass es sich um Sheridan handelt.«
»Ich verstehe«, antwortete ich. »Die Rolle des Einbrechers mit ’ner Kanone, die er auch noch benutzt, passt nicht zu Sheridan, aber ich habe dir schon auseinandergesetzt, dass er nicht einen Einbruch beging, sondern in die Villa geschickt wurde, um einen Mord zu begehen.«
»Die Rolle des Berufskillers passt ebenso wenig.«
»Wenn er unter Druck gesetzt wurde, ist es immerhin vorstellbar, dass er mitmachte, zumal er das Opfer für
Weitere Kostenlose Bücher