0338 - Grauen in der Geisterstadt
hatte drei Meter zu laufen und hörte es hinter sich schwirren. Unwillkürlich duckte sie sich. Neben ihr krachte etwas mit Schwung ins Holz der Hauswand. Gleichzeitig wurde Nicole herumgerissen und ebenfalls gegen die Wand geschleudert. Etwas riß ratschend, und sie fühlte kaltes Metall im Rücken. Sie riß sich los, drehte sich um und sah, daß sie nur um Haaresbreite einem bösen Tod entronnen war.
Der Skelett-Krieger aus Leonardos Knochenhorde hatte mit unglaublicher Zielsicherheit seine schwere Axt geschleudert. Gerade noch im letzten Moment hatte Nicole sich soweit ducken können, daß die Axt sie gerade noch verfehlte - aber noch ihr ohnehin schon halb zerrissenes Lederhemd erfaßte, halb zerschnitt und ganz zerriß. Die Fetzen hingen jetzt an der Axt.
Nicole konnte sich nicht darum kümmern. Der jetzt noch mit dem Schild bewehrte Knochenmann kam heran. Nicole versuchte, die Axt an sich zu nehmen, bekam sie aber mit ihrer ganzen Kraft nicht aus dem Holz, so wuchtig hatte der Knöcherne sie hineingeschleudert. Schon war er heran. Nicole ergriff wieder die Flucht, hinein in den Saloon. Mit einer geradezu lässigen Bewegung riß das Skelett die Streitaxt los und folgte der Französin.
Nicole stürzte einen alten Tisch um, direkt vor die Schwingtüren des Eingangs. Der Skelett-Krieger prallte dagegen. Nicole zertrümmerte einen Stuhl auf seinem Schädel. Aber die Knochen hielten zusammen. Aus früheren Kämpfen mit den Skelett-Kriegern Leonardos wußte Nicole, daß sie nur dann vernichtet waren, wenn man ihnen den Kopf abschlug. Dann zerfielen sie zu Staub. Aber anders konnte man sich ihrer nicht erwehren - wer kann schon einen Toten töten?
Irgendwo mußte das Gewehr liegen!
Aber da war kein Gewehr und auch kein im Saloon zurückgebliebener Wegelagerer Churk. Die Zeitveränderung hatte ihn offenbar nicht berücksichtigt. Aber Nicole sah einen Kampfstab. Sie schnellte sich darauf zu, ahnte Gefahr und duckte sich. Der Skelett-Krieger war über den Tisch gesprungen und ließ jetzt die Axt waagerecht vor sich her durch die Luft sausen, dicht über Nicoles derzeit blonden Haarschopf hinweg. Nicole faßte den Stab mit beiden Händen und schmetterte ihn gegen die Beine des Knochenmannes. Scheppernd und polternd brach er zusammen. Nicole durchquerte den Raum und erreichte die Treppe. Erst, als sie oben war, sah sie, daß der Skelett-Krieger nicht mehr laufen konnte; eines seiner Beine war mit allen Knochen quer durch den Schankraum des Saloons verstreut. Aber die Axt schleudern konnte er immer noch. Direkt neben Nicole schlug sie ein. Ein Stück des Türrahmens splitterte einfach weg und fiel mitsamt der Axt neben der Treppe in die Tiefe. Mit ungeahnter Schnelligkeit kroch der Skelett-Krieger darauf zu. Nicole verzichtete auf den Versuch, umzukehren und den Liegenden zu bekämpfen. Nur zu gut kannte sie die unglaubliche Zähigkeit der Knochenmänner und ahnte, daß sie mit dem Stab allein wenig Chancen haben würde, dem Burschen den Kopf abzuschlagen.
Nicole trat in den Korridor. Hier lagen Imker Hand Zimmer. Nicole durchquerte eines von ihnen, stieß das Fenster auf und stellte fest, daß sie es schaffen konnte, nach unten zu kommen, wenn sie es richtig anstellte. Aus dem Schankraum hörte sie den Skelett-Krieger poltern. Der suchte seine Knochen zusammen - hoffentlich hat er sie nicht numeriert, damit’s länger dauert, dachte Nicole in einem Anflug von schwarzem Humor - und war wohl damit beschäftigt, sein zerlegtes Bein zu restaurieren. Nicole warf den Kampfstock nach unten, schwang sich über das Fensterbord und ließ sich nach unten hängen.. Damit war die Höhe schon mal um zwei Meter reduziert. Die anderen drei Meter schaffte Nicole auch noch, kam federnd unten auf und atmete einige Male tief durch.
Dabei wußte sie sehr gut, daß noch längst nicht alles ausgestanden war. Vor allem wußte sie nicht, was mit Zamorra war. War er schwer verletzt oder gar tot? Der Schuß des Mongolen hatte ihn gehörig herumgestoßen.
Sie hob den Kampfstock auf, sah oben am Fenster den Skelett-Krieger, wieder frisch komplettiert, auftauchen und sich ebenfalls nach draußen schwingen. Da lief sie wieder, rannte nach vorn auf die Main Street. Erfreulicherweise war die Stadt klein genug, daß man jedes Haus einzeln aufgestellt hatte. Größere Orte waren so gebaut worden, daß man Haus an Haus quetschte.
Erleichtert atmete sie auf, als sie Zamorra mitten auf der Straße stehen sah. Weißer, fleckiger und hier und da
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