0339 - Die Stunde des Eisernen Engels
Schwertspitze. Ich erlebte das gleiche wie zuvor.
Beim dritten Stein ebenfalls.
Dann trat Kara zurück. Sie blieb neben mir stehen und deutete nickend auf die Steine. »Hier hast du deine goldenen Skelette.«
»Ja, das sehe ich. Aber wie hast du es geschafft, sie in die Steine zu holen?«
Um ihre Lippen zuckte ein Lächeln. »Es ist so, John. Manchmal gibt es Dinge, die muß man einfach hinnehmen. Du weißt, daß ich die Rätsel des alten Atlantis kenne. Ich gehe davon aus, daß alle Schwarzmagier und alle schwarzmagischen Geschöpfe gewissen Gesetzen zu folgen haben. Ich habe viel von meinem Vater gelernt. Er kannte die gefährlichen Beschwörungsformeln und auch die, die andere zwangen, nur seinen Befehlen Folge zu leisten. Diese Formeln habe ich angewendet. Zudem haben es mir die Skelette leicht gemacht, denn sie haben nach wie vor einen Todfeind, den sie vernichten wollen.«
»Bin ich das?«
»Natürlich.«
Ich mußte lachen. Wie Kara dies so einfach dahinsagte. Kaum zu fassen, aber sie hatte recht. Es stimmte haargenau. Ich war der Todfeind dieser Skelette. Wahrscheinlich war es Kara deshalb sogar ziemlich leicht gefallen, sie zu beschwören.
»Willst du gegen sie kämpfen?«
»Ja«, erwiderte ich. »Das stände mir zu.«
»Dann bitte.« Mit diesen Worten drehte sich die Schöne aus dem Totenreich zu mir und reichte mir das Schwert. »Damit kannst du sie vernichten.«
»Nicht mit einer Silberkugel?«
»Nein und auch nicht mit dem Dolch, den du besitzt und der eigentlich Mandra gehört. Der magische Bumerang wäre noch eine Waffe, aber den hast du nicht zur Hand.«
»Leider…«
»Dann nimm das Schwert.«
Nicht zum erstenmal hielt ich es in der Hand. Auch jetzt wunderte ich mich wieder darüber, wie leicht sich diese Waffe doch trotz ihres Gewichts führen ließ.
Ich nickte Kara zu. »Okay, ich habe das Schwert. Und was jetzt? Soll ich gegen die Steine schlagen?«
»Nein«, erwiderte sie lächelnd. »Aber du mußt die Regeln einhalten und darfst dich nur innerhalb dieses magisch aufgeladenen Vierecks bewegen. Die Skelette stehen noch unter meiner Kontrolle. Sie werden das tun, was ich ihnen sage. Mach dich bereit.«
Ich wartete. Dabei hörte ich Kara zu und beobachtete die Bewegungen ihrer Hände.
Sie lockte die Knöchernen.
Und sie kamen.
Durch ihre Gestalten ging ein Ruck. Gleichzeitig zog sich Kara zurück und verließ die magische Zone. Ich sah noch, wie es auf dem Boden aufglühte.
Plötzlich entstanden im grünen Gras rötliche Verbindungslinien, die das Quadrat genau begrenzten.
Die Kampffläche war abgesteckt.
Und die drei goldenen Skelette verließen die Flammenden Steine, um mich zu töten…
***
Suko ächzte auf.
Vergessen war der Schwarze Tod. Vergessen waren auch die vier Horror-Reiter, Claudine, der Eiserne Engel und der bewußtlose Pernell Kent. Der Inspektor hatte nur Augen für die Frau, die dort im Einstieg stand und den Würfel festhielt.
Es war leicht windig geworden. Die über dem Sumpf liegenden stinkenden Dunstschleier wurden von ihm durcheinandergewirbelt und trieben träge zwischen Suko und dem Flugzeug einher.
Dennoch sah er, wie sich auch das Haar der Detektivin bewegte.
Schleierartig wurde es in die Höhe gewirbelt, bevor es wieder zusammenfiel.
Jane Collins stand dort wie eine Statue, doch Suko wußte genau, daß sie nicht tot war. Sie lebte und hatte aus eigener Kraft die Vitrine verlassen können.
Das war unbegreiflich.
Suko wollte ihr zuwinken. Er schaffte es nicht einmal, den Arm zu heben. So überrascht war er.
Jane drehte den Kopf so, daß sie genau in Sukos Richtung schaute und den Chinesen sehen mußte. Sogar das Gefühl des Erkennens entdeckte Suko in ihren Augen. Im nächsten Moment vernahm er, wie Jane Collins seinen Namen rief.
»Suko?«
Es war gleichzeitig eine Frage, und der Inspektor erwachte aus seiner Erstarrung. Er nickte. Mehr konnte er nicht tun, denn die zweite Überraschung hatte ihn getroffen.
Janes Stimme hatte so normal geklungen. So herrlich normal.
Eigentlich wie früher.
Sollte es denn möglich sein, daß sie wieder in ihr altes Leben zurückgekehrt war und die Zeiten als Hexe hinter ihr lagen?
Suko fiel das Wort unwahrscheinlich ein. Aber das wollte er nicht gelten lassen. Er hatte einfach zu viele Dinge erlebt, die den Rahmen des Möglichen sprengten.
Und so ging er auf Jane Collins zu. Er hörte noch Claudines Ruf, aber er kümmerte sich nicht darum. Jane war für ihn wichtiger. Sie wirkte so anders, so menschlich
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