0339 - Die Stunde des Eisernen Engels
gewissermaßen in einem Zeitschacht, der in die Vergangenheit führte. Die Magie des Planeten hatte freie Bahn, und sie schaffte es auch, die Familie Canotti, eigentlich völlig normale Menschen, zu ebenfalls goldenen Dienern der Skelette zu machen. Da ist noch ein Überrest, Kara. Und dort muß ich hin.«
Sie lächelte überlegen. »Das brauchst du gar nicht, John.«
»Wieso? Willst du die Skelette etwa…«
Sie ließ mich nicht ausreden, sondern faßte nach meinem Arm.
»Komm bitte mit.«
Das tat ich. Mit sanfter Gewalt schob mich die Schöne aus dem Totenreich vor. Wir gingen auf die Flammenden Steine zu, die wie lange, viereckige Finger in die Höhe stachen.
Ich wunderte mich über Karas Verhalten, hütete mich jedoch, irgendwelche Fragen zu stellen. Wenn Kara etwas Neues erfahren hatte, würde sie es mich schon wissen lassen.
Wir verließen den kleinen Wald, in dem auch die Blockhütte stand.
Um an die Steine heranzukommen, mußten wir den Bach mit dem kristallklaren Wasser überqueren. Ein schmaler Steg verband die beiden Ufer. Ihn überschritten wir, gingen noch ein paar Meter weiter und standen schließlich zwischen den Steinen, nachdem wir eine jetzt unsichtbare Begrenzungslinie überquert hatten.
Es war schon seltsam, zwischen diesen hohen Gebilden zu stehen.
Ich spürte, daß ich auf gewisse Art und Weise eine andere Welt betreten hatte. Innerhalb des Gebiets lauerte Magie. Greifbar war sie nicht. Ich erkannte auch kaum äußere Anzeichen, nur eben das leichte Glühen innerhalb der vier Steine.
In der Mitte blieb Kara stehen. Sie stützte sich wie so oft auf den Schwertgriff. Die Spitze wies zu Boden.
Ich hatte mein Kreuz wieder abgenommen und es mir umgehängt. In diesen Augenblicken reagierte es nicht. Die Magie der Steine sprach allein auf Karas Schwert an.
Ich blickte ihr ins Gesicht. Es hatte einen konzentrierten Ausdruck angenommen.
»Möchtest du mir nicht erklären, was unter Umständen hier geschehen wird?« fragte ich.
»Ja, gern.« Sie räusperte sich. »Auch ich bin mir der Gefahr bewußt, die von den Skeletten ausgeht. Du hast ihre guten Geister gesehen. Sie arbeiteten mit uns zusammen. Aber die goldenen Körper sind prall gefüllt mit Schwarzer Magie. Ich habe versucht, sie ebenfalls zu beschwören. Das heißt, sie aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu holen, um sie vernichten zu können.«
Ich schüttelte den Kopf, weil ich es nicht glauben konnte. »Und das hast du geschafft?«
»Möglich.«
»Wie willst du es dann herausfinden?«
Kara hob ihr Schwert an. Ein erster Sonnenstrahl fiel auf die goldene Klinge und ließ sie aufblitzen wie ein Spiegel. »Nicht umsonst hat mir mein Vater Delios diese Waffe vererbt. Sie steckt voller Geheimnisse, und sie wird uns den Weg schon zeigen, den wir zu gehen haben. Wenn es mir gelungen sein sollte, die Skelette zu beschwören, müßte das Schwert bald reagieren. Aber auch die Steine.«
»Ich bin gespannt.« Das war nicht nur so dahingesagt, ich war es tatsächlich.
»Das kannst du auch.«
In den folgenden Sekunden kümmerte sich die Schöne aus dem Totenreich nicht mehr um mich. Sie hatte andere Aufgaben wahrzunehmen und trat an den ersten der vier Steine.
Einen Schritt davor blieb sie stehen. In der rechten Hand hielt sie das Schwert. Jetzt hob sie mit einer spielerisch leicht anmutenden Geste den Arm. Dabei drückte sie ihn auf den Stein zu, wobei die Spitze über seine Oberfläche glitt.
Allmählich wurde mir klar, was sie vorhatte. Vor Spannung hielt ich den Atem an.
Sehr sanft strich Kara mit der Schwertspitze über die Oberfläche des ersten Steins. Sie führte die Bewegung von oben nach unten durch und sprach dabei Worte in einer alten Sprache, die wahrscheinlich auch die Skelette verstanden.
Etwas geschah mit dem Stein.
Ich hatte das Gefühl, als wollte er für einen Moment zu Glas werden, denn so durchsichtig präsentierte er sich. Das dunklere Muster und die Einschlüsse in seinem Innern lösten sich auf, um einer Gestalt den Platz zu schaffen, den sie benötigte.
Das goldene Skelett!
Ich ballte die Hände. Wäre Kara ein Mann gewesen, hätte ich sie mit einem Teufelskerl verglichen. Eine Teufelsfrau ging nun schlecht, aber sie hatte es geschafft, durch ihre magischen Kenntnisse die goldenen Skelette dorthin zu holen, wohin sie sie haben wollte.
Eine reife Leistung!
Die Schöne aus dem Totenreich beachtete mich nicht weiter, als sie an den zweiten Stein herantrat. Auch über ihn strich sie mit der
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