034 - Der schwarze Hengst
wischte ich das Wasser fort und fühlte nach ihrem Puls. Ihr Körper war unterkühlt.
Ich schleppte sie ins Badezimmer und ließ sie in die Wanne gleiten. Dann drehte ich die Dusche an. Innerhalb weniger Sekunden war das Wasser heiß. Coco schrie auf, als ich ihren Körper besprengte. Dampfwolken hüllten das kleine Bad ein. Ich hatte Erfolg. Coco schlug die Augen auf, und ich stellte die Brause ab.
»Alles in Ordnung?«
Sie nickte schwach. Ich half ihr aus der Wanne und hüllte sie in ein Badetuch. Dann trug ich sie ins Zimmer und legte sie ins Bett.
Inzwischen hatte Zeman das Zimmer betreten, und einige seiner Freunde waren ihm gefolgt.
»Verschwindet!«
Zögernd wichen sie zurück. Nur Zeman blieb. »Was ist geschehen? Kannst du mir eine Erklärung geben?«
»Später«, antwortete ich. »Kümmere dich lieber um Langer.«
Ich setzte mich zu Coco, die zähneklappernd im Bett lag. Ihre Hand war warm.
»Ich kann mich nur undeutlich erinnern«, flüsterte sie. »Da war dieser Gesang, der mich lähmte. Irgend jemand sprach zu mir. Dann war plötzlich das eisige Etwas da.«
Zeman kehrte zurück. »Elmar Langer ist verschwunden. Die Pistole hat er liegenlassen. Der Kerl wollte uns beide erschießen. Ich sollte die Polizei verständigen.«
Elmar Langer war mir gleichgültig. Er war von einem Dämon beeinflußt worden und für seine Tat nicht verantwortlich. Als ich Coco wieder anblickte, war sie vor Erschöpfung eingeschlafen.
Die Taubheit und Kälte war aus meinen Fingern gewichen. Ich strich sanft über Cocos Stirn. Ihre Körpertemperatur war normal.
Günter Zeman stellte unzählige Fragen, doch ich vertröstete ihn auf später.
Mißmutig verschwand er.
Im Zimmer sah es wüst aus. Der kostbare Spiegel war zertrümmert, und der Stuhl war zerbrochen. Der Parkettboden und die wertvollen Teppiche waren naß. Ich sperrte die Tür ab, malte auf sie einen Drudenfuß und sicherte auch die Fenster ab. Dann legte ich mich neben Coco und rauchte eine Zigarette. Langsam wich die Anspannung.
Ich merkte nicht, daß ich einschlief.
Seit zwei Jahren besuchte George Arnod Wahrsager, Kartenleger, Hellseher und Medien. Doch die Ergebnisse waren immer enttäuschend gewesen. Meist hatte er nur belangloses Geschwätz und unsinnige Aussagen für sein Geld erhalten. Seiner Freundin hatte er von diesen Besuchen natürlich nichts erzählt, denn sie hätte ihn nur ausgelacht.
Mißtrauisch blieb er vor dem halb verfallenen Haus am Stadtrand von Nizza stehen. Hier hauste die bekannte Hellseherin Leva Croison. Ihr Geschäft schien nicht gut zu gehen, denn die anderen Scharlatane, die er vorher besucht hatte, hatten in protzigen Häusern gewohnt.
Das Haustor quietschte, als er es öffnete. Vergeblich sah er sich nach einem Namensschild um.
»Monsieur Arnod«, vernahm er plötzlich eine wohlklingende Frauenstimme, die aus dem Nichts zu kommen schien, »ich erwarte Sie im ersten Stockwerk.«
Angewidert verzog er den Mund. Ein billiger Trick. Irgendwo war ein verborgener Lautsprecher angebracht.
Die Wände im ersten Stockwerk waren pechschwarz. Als er wenige Schritte vor der mit magischen Zeichen bedeckten Tür stehenblieb, wurde sie wie von Geisterhänden geöffnet. Der Vorraum war leer. Wieder schwang eine Tür auf. Das Zimmer war fensterlos, und die Wände und die spärliche Einrichtung waren ganz in Schwarz gehalten. Auf einem fünfeckigen Tisch brannte eine schwarze Kerze.
»Treten Sie ein, Monsieur«, sagte die vermummte Gestalt hinter dem Tisch. Ihr Gesicht war von Tüchern verhüllt, nur die pechschwarzen, schimmernden Augen waren zu sehen. Sie musterten ihn durchdringend. Zögernd schritt Arnod auf den Tisch zu.
»Nehmen Sie Platz, Monsieur.«
Er setzte sich und zuckte zusammen, als die Tür mit einem Knall zufiel.
»Sie halten nicht viel von Hellseherinnen«, stellte Leva Croison sachlich fest. »Ihnen wurden in der Vergangenheit zu viele Märchen erzählt.«
Arnod nickte langsam. Er zog ein paar Haare aus der Brusttasche hervor, die vom Schweif und der Mähne Capricorns stammten, und legte sie neben die Kerze auf den Tisch. Leva Croison konzentrierte sich kurz auf die Haare, dann schloß sie die Augen. Mehr als eine Minute schwieg sie.
»Deauville«, flüsterte sie. »Sie wollen ein paar Mutterstuten kaufen. Es ist ein unfreundlicher Tag. Die Auktion beginnt. Sie haben einige trächtige Stuten ins Auge gefaßt, die Sie ersteigern wollen.«
Arnod lehnte sich zurück. Das hatte bisher keine Hellseherin erzählt,
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