034 - Die toten Augen
Matt.
„Nein“, rief der Graf wütend. Er nahm Matt die Handschellen ab und betrachtete sie genau.
„Sie sind noch in Ordnung. Man muß bloß den Rost etwas abschleifen. Und dann brauche ich einen Schlüssel.“
„Ich werde sie säubern, Mylord“, schlug Matthew vor, „und dann kann man sie irgendwo an die Wand hängen, wenn sie Ihnen noch gefallen.“
„Ich möchte den Schlüssel“, war die Antwort des Grafen.
Der Verwalter sah den Grafen prüfend an. Was hatte er vor? Der Graf senkte den Blick und sagte: „Handschellen ohne Schlüssel sind wertlos. Sie fahren noch heute nach London, Matthew, und versuchen, den passenden Schlüssel zu finden. In ganz London muß doch wohl irgendwo solch ein Schlüssel zu finden sein.“
Matthew stimmte schneller zu, als er es sonst getan hätte.
„Ich werde sofort nachsehen, wann der nächste Zug fährt, Mylord.“
Noch am selben Nachmittag traf Matt in London ein. In der Hand hielt er einen kleinen Koffer, in dem die Handschellen lagen, überdies wollte er hier einen Revolver unterbringen.
Er ahnte, daß der Graf die Handschellen für seinen Sohn haben wollte. Das beunruhigte ihn sehr, aber er sagte sich, daß der Graf wieder die Nacht abwarten würde.
Matt suchte keinen Antiquitätenladen und kein Haushaltsgeschäft auf. Er begab sich sofort in eine Bar, wo er sicher einen seiner früheren Patienten, dem er in einer Notlage geholfen hatte, treffen konnte. Er hatte ihn jahrelang nicht mehr gesehen und konnte nur hoffen, daß er noch in London war.
Er fand ihn nicht, aber jemand in der Bar gab ihm seine Adresse. Er wohnte jetzt in einem komfortablen Haus im besten Viertel der Stadt.
Matthew läutete und wurde von einem Bediensteten in Livree eingelassen. Sein Bekannter hatte einige Mühe, Matthew wiederzuerkennen. Er trug einen seidenen Hausrock und sah seinen Besucher mißtrauisch an. Matthew sagte seinen Namen. Da erhellte sich das Gesicht des anderen.
„Doktor“, sagte er erfreut, „was für eine Überraschung! Wir müssen einen Schluck zusammen trinken.“
Nachdem ein paar höfliche Worte gewechselt waren, zeigte der Verwalter ihm die Handschellen und fragte ihn, ob er ihm den dazu passenden Schlüssel beschaffen könne. Er fügte hinzu, daß er einen Revolver oder eine Pistole in gutem Zustand brauchte.
Auf den erstaunten Blick seines Bekannten hin bat er ihn: „Fragen Sie mich nichts, Phil.“
Und Phil verstand. „Ich habe nichts hier“, sagte er. „Warten Sie auf mich. Ich gehe zu jemandem, der uns weiterhelfen kann. In etwa einer Stunde bin ich wieder zurück.“
Er rief seinen Diener und sagte ihm, er solle den Wagen holen. Matt wartete geduldig. Nach fast zwei Stunden kam Phil zurück.
„Hier haben Sie Ihren Revolver. Er ist alt, aber er funktioniert noch. Es sind sechs Patronen drin. Seien Sie vorsichtig. Ein Freund hat ihn mir zu einem Spezialpreis überlassen. Und da sind Ihre Handschellen mit einem Schlüssel. Den habe ich von einem anderen Freund, einem ehemaligen Polizeikommissar. Ich habe ihm erzählt, daß ich die Handschellen für meinen Wagen brauche, um das Steuerrad abzuschließen, wenn ich parke. Ich weiß nicht, ob er mir geglaubt hat. Den Schlüssel hat er mir geschenkt. Der Revolver kostet …“
Matt zahlte, dankte seinem alten Bekannten und machte sich zufrieden auf den Heimweg.
Als er dem Grafen die Handschellen gegeben hatte, versteckte er den Revolver in seinem Zimmer. Jetzt bin ich gegen Sie gewappnet, Mylord, dachte er.
Und von diesem Tag an war er wie umgewandelt. Der gequälte Ausdruck auf seinem Gesicht verschwand, und seine Frau fragte ihn, warum er auf einmal so fröhlich wirke.
„Nun ja“, antwortete Matt, „ich habe es mir überlegt. Es hat keinen Sinn, daß ich mir Sorgen mache. Es ist mir egal, was passiert. Ich werde dem Grafen keine Hindernisse mehr in den Weg legen.“
.Jane wird sofort zum Grafen gehen und ihm die Neuigkeit berichten’, dachte er überzeugt. Und er hoffte, daß die Ereignisse nun beschleunigt würden und der Graf endlich versuchte, seine dunklen Pläne auszuführen. Denn Matthew hatte Mitleid mit den beiden Gefangenen, besonders mit dem jungen Lord. Er fürchtete, daß er mit der Zeit wahnsinnig werden könnte.
Im Augenblick hatte seine gute Laune allerdings nur zur Folge, daß Jane ihn bat, wieder in das gemeinsame Schlafzimmer zurückzukehren. Er nahm sich zusammen, um seinen Ärger darüber nicht zu zeigen, und tat so, als stimme er zu. Aber in der nächsten Nacht warf er
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