0341 - Die Nadel der Cleopatra
schrille Geräusch, wenn Reifen über den Asphalt quietschten. Auch ein Splittern und Krachen war zu vernehmen. Wahrscheinlich ein Auffahrunfall.
Das alles war in diesen Augenblicken nebensächlich. Für uns zählte allein Usanga, der Knochenbrecher. Ich fragte mich, ob er die Säule tatsächlich verlassen würde, wenn er es geschafft hatte, sich aus den Leinenlappen zu schälen.
Bestimmt…
Nur mehr seine Beine waren bedeckt. Das rechte hob er an, während er auf dem linken balancierte. Mit einem Ruck löste er auch die Binde von seinem Bein und schleuderte sie weg.
Wieder verbrannte sie.
Jetzt kam das andere an die Reihe.
Auch hier riß er die Binde ab.
Jemand faßte uns an.
Wir schraken erst zusammen, als sich die Hände auf unsere Schultern gelegt hatten, drehten uns dann um und schauten in die Gesichter von vier Polizisten.
Ihren Streifenwagen hatten sie ein Stück entfernt geparkt. Auf dem Dach drehte sich das Rotlicht.
Unter den Polizisten befand sich der Beamte, der uns das Parken hatte verbieten wollen. Und er sprach uns an. »Sagen Sie mal, sind Sie eigentlich verrückt? Sie können doch nicht zulassen, daß sich hier etwas abspielt, das uns alle in Gefahr bringt.«
Ich verlor einen Teil meiner Nerven.
»Hauen Sie ab!« brüllte ich die Männer an. »Verschwinden Sie! Hier wird gleich die Hölle los sein. Das kann ich Ihnen versprechen!«
Sie hörten meine laute Stimme, schauten sich an, dann uns, schüttelten die Köpfe und gingen unwillkürlich zurück. Wahrscheinlich hatten sie sich so vor meiner Stimme erschreckt.
Der Knochenbrecher aber war frei!
Noch stand er innerhalb der Nadel. Meiner Ansicht nach würde es nicht lange dauern, bis er auch sie verlassen hatte. Da mußten die Polizisten einfach weg.
Ich fuhr wieder zu ihnen herum. Den rechten Arm streckte ich aus und unterstrich durch diese Geste meine Worte. »Verschwindet endlich. Ihr habt hier nichts zu suchen. Sperrt die Straße, schafft die Menschen weg! Wenn hier das Chaos losbricht und wir es nicht stoppen können, gebe ich Ihnen einen Teil der Schuld!«
Die Männer flüsterten miteinander. Ich hörte das Wort Sonderausweis. Das hatte der übereifrige »Parkplatzwächter« gesagt. Jetzt begriffen auch die anderen. Sie gingen.
»Aber auf Ihre Verantwortung«, sagte jemand noch.
»Auch klar.«
Ich schaute ihnen nicht mehr nach, denn Usanga war wichtiger.
Jetzt, von seinen Fetzen befreit, sah er noch schauriger aus als zuvor.
Die Zeit des magischen Dahinsiechens schien spurlos an ihm vorübergegangen zu sein. Er besaß einen dunkelhäutigen Körper, nicht schwarz, nicht braun, eher eine Mischung dazwischen.
Mir fiel ein, daß die nubischen Sklaven, die von den Ägyptern gehalten wurden, so ausgesehen hatten. Auch heute noch gibt es dort Menschen, die ähnlich wie dieser innerhalb der Nadel wirkten.
Weit überragte er die drei Frauen. Auf sie mußte ich mich jetzt konzentrieren.
Und die in der Mitte bewegte ihren Stab.
Suko tat in etwa das gleiche. Seine Hand verschwand unter der Jacke, um ebenfalls den Stab hervorzuholen. Mit ihm konnte er die Zeit für fünf Sekunden anhalten.
Wir wußten es nicht, jedoch ahnten wir, daß die Entscheidung kurz bevorstand.
Ich hielt meinen Freund davon ab. »Nicht, setz den Stab noch nicht ein…«
»Dann mach du was, John!«
Das tat ich auch. Vier Schritte brauchte ich, um die Nadel der Cleopatra zu erreichen. Nach dem zweiten Schritt erreichte ich die Treppe, wollte sie mit einem Sprung nehmen und hielt auch schon das Kreuz in der Hand, als die dritte Frau ihren Stab senkte.
Er lag in waagerechter Haltung, da prallte ich gegen die Säule.
Und mit mir das Kreuz.
Ich hörte Suko nur schreien, sah eine gewaltige kalte Flamme, in deren Mittelpunkt das Dreieck des Allsehenden Auges stand, und bekam einen fürchterlichen Schlag gegen den Kopf…
***
Nicht nur die Polizisten am Victoria Embankment hatten mit ihrer Furcht vor dem Unheimlichen zu kämpfen, auch eine junge Frau namens Patty Lester.
Sie wußte noch immer nicht, ob sie sich richtig oder falsch verhalten hatte. Wenn sie an die vergangene Nacht und an die Vorgänge dachte, die den Schrecken ausgelöst hatten, bekam sie jedesmal Herzbeschwerden, so schlimm war es geworden.
Sehr deutlich noch stand der geteilte Vorhang in ihrer Erinnerung, als die Hand aus dem Spalt erschien und die seltsame Waffe in den Nacken ihres Freundes stieß.
Dann sprudelte das Blut…
Sie hatte ihn fallen sehen und einfach nicht mehr gekonnt. Noch
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