0343 - Kampf um Lady X
hatten die Stimme ihres Herrn gehört und waren ihm treu ergeben.
Auf Wintek achtete Bogdanowich nicht. Er sah auch nicht, daß sich auf dem Gesicht des Krummen ein Wechselbad der Gefühle abzeichnete. Zwischen Hoffen, Bangen, Verehrung und Abscheu, alles spiegelte sich wider. Auch Enttäuschung. Und zwar über seinen Meister. Er hätte nicht gedacht, daß er auch seine Zustimmung für den furchtbaren Blutraub geben würde. Anscheinend lief alles anders, als er es sich vorgestellt hatte.
Wintek war schlau genug, nichts zu sagen. Er schaute nur auf die Geisel, an deren Hals sich die Male seiner Würgefinger deutlich abzeichneten. Er hatte wirklich im letzten Augenblick die Hände noch zurückziehen können. Aber sie würde erwachen, und dann bekam sie von ihm gesagt, wer ihr Retter war. Möglicherweise brauchte er nicht einmal Gewalt bei ihr anzuwenden, wenn er sie ganz haben wollte.
Boris ahnte nicht, welche Gedanken Wintek beschäftigten. Daß der Anblick eines Mädchens einen Menschen wie ihn so hatte überwältigen können. Aber war es bei Glöckner von Notre Dame anders gewesen?
Nein, auch er war der Schönheit unterlegen, denn Gegensätze zogen sich an.
»Habt ihr mich verstanden?« wandte sich Bogdanowich an seine beiden Helfer.
»Ja!« preßte Riley Brabano hervor. »Ich habe dich verstanden.«
»Und du, Mario?«
»Sicher, Boris, sicher.«
»Dann ist alles gut.« Bogdanowich nickte. »Ich weiß selbst, wie euch zumute ist, aber ihr müßt Geduld haben. Es wird zwar kein strahlend heller Tag werden, dennoch kann euch das Tageslicht schwächen. Die Dunkelheit ist ideal. Aus diesem Grunde habe ich mich dafür entschlossen, daß ihr den Rest des Tages in der Finsternis verbringt. Wenn der Abend kommt und mit ihm die Finsternis, werde ich euch holen.«
»Wo sollen wir hin?« fragte Brabano.
Boris wandte sich an den Hausherrn. »Es gibt doch bestimmt einen Keller hier?«
»Ja, ja.«
»Da könnt ihr bleiben.«
Die beiden Vampire schauten einander an. Es war ihnen recht.
Keller sind dunkel, dort konnten sie die Zeit bis zum Einbruch der Nacht verbringen.
»Es gibt auch kein Licht«, sagte Wintek schnell. »Absolut dunkel. Wunderbar wird es dort für euch sein.«
»Schaff sie runter!«
»Und du?«
Boris schüttelte den Kopf. »Ich bleibe hier bei dem Mädchen. Es soll uns nicht entkommen.«
Wintek nickte. »Ja, das ist eine gute Idee.« Er drehte sich und schritt auf die schmale Tür zu, um in den engen Flur zu gelangen.
Licht gab es im Keller nicht. Wenn er etwas sehen wollte, mußte er stets eine Kerze anzünden.
Einige Stummel standen in einer kleinen Mauernische auf Tellern.
Zündhölzer trug er immer bei sich.
Der Krumme steckte eine Kerze an. Als er das Zündholz zwischen zwei Fingern hielt, bemerkte er das Zittern seiner Hand. Er stand unter einer großen Spannung. Die Angst, das doch noch etwas schiefgehen konnte, hielt ihn umklammert.
Die beiden neuen Vampire hatten sich dicht hinter ihm aufgestellt. Er spürte ihre Körper und wußte genau, daß sie nicht nur nach Biancas Blut gierten, sondern auch nach dem seinen.
Der Krumme schüttelte sich. Am liebsten wäre er weggelaufen und hätte sich versteckt. So aber hatte er einen Befehl bekommen und öffnete die Kellertür.
Die linke Hand mit der Kerze hielt er dabei hoch. Das zuckende Licht riß auch die Gesichter der beiden neben ihm stehenden Blutsauger aus der Finsternis.
Es waren schreckliche, widerliche Fratzen. So grausam verzerrt, so unnatürlich und mit einer ungemein starken Gier in den düsteren Augen.
Vor ihnen lag eine Treppe. Sehr alte Stufen aus Stein. Hoch und dabei ausgetreten, regelrechte Stolperfallen, wenn man nicht achtgab. Hinzu kam die niedrige Decke und die Feuchtigkeit an den Wänden, die sich dort gesammelt hatte und in langen Wasserstreifen nach unten rann, um sich auf dem Boden zu verlaufen.
»Geh vor, du Wicht!« Forca hatte den Befehl gegeben.
Der Krumme zog den Kopf noch weiter ein, als er die gefährlich hohen Stufen hinabschritt. Die Düsternis des Kellers wurde durch das kleine Licht der Kerze ein wenig aufgehellt. Dennoch schaffte es der Schein nicht, die unheimliche Atmosphäre zu vertreiben, die in diesen unterirdischen Räumen herrschte.
Gruftartig präsentierte sich der Keller. Sehr niedrig war die Decke. Wenn einer der Vampire den Kopf hob, streifte er mit seinem Schädel daran entlang.
Die Kälte legte sich auf seine Kleidung. Sie kam ihm vor wie ein Reif, der seine Brust
Weitere Kostenlose Bücher