0344 - Vampir-Schlangen
Maul.
Keine gespaltene Zunge fuhr hervor, wie es bei normalen Schlangen der Fall ist, diese hier besaß einen großen, leeren Rachen.
Sie schlang…
Es war schon bewundernswert, wie sie es schaffte, selbst die beiden Füße auf einmal in ihren Rachen zu bekommen. Dabei drehte sie den Kopf ein wenig und schaffte es, Füße und Knöchel gleichermaßen zu schlucken und in sich hineinzupressen.
Der halbverweste Körper wurde dabei in der unteren Hälfte in die Höhe gedrückt, so daß er, je weiter die Schlange schluckte, immer mehr im Leib des Tieres verschwand.
Es war ein für den Vampir faszinierendes Schauspiel. So wie eine normale Schlange weiße Mäuse oder Karnickel verschluckte, fraß diese hier eine Leiche.
Es gelang dem Vampir nicht, seine Erregung zu unterdrücken. Er atmete nicht, dafür drang ein heftiges Keuchen aus seinem Mund, und die Augen hatten einen fanatischen Glanz angenommen.
Die Magie hatte gewirkt, wunderbar geklappt, und es freute ihn mächtig, das zu sehen.
Nur noch die stumpfen grauen Haarsträhnen und ein Teil des Kopfes schauten aus dem weit aufgerissenen Maul hervor. Der übrige Körper befand sich im Innern der Schlange, wurde gegen das hintere Ende gedrückt, wobei Boris seinen Weg genau verfolgen konnte, denn er zeichnete sich unter der dünnen Schlangenhaut deutlich ab.
Zuerst leise, dann immer lauter werdend drang das Lachen aus dem Maul des Blutsaugers. In diesen Augenblicken war er fest davon überzeugt, gewonnen zu haben.
Die Schlange als Urbild des Bösen hatte gesiegt. Sie würde jetzt die Macht übernehmen.
Er konnte es kaum erwarten, die beiden anderen Tiere ins Leben zu rufen. Trotz seiner Hektik war er sehr vorsichtig und griff behutsam nach der Schale.
Er balancierte sie auf den Unterarmen und brachte sie wieder nahe an das erste der beiden Schlangenmäuler heran. Leicht kippte er sie, die Flüssigkeit rann dem Rand entgegen, quoll über und verschwand im Maul der zweiten Schlange.
Er goß so viel nach, daß die Schale halb geleert war. Die verbrauchte er dann für die dritte Schlange.
Bis zum letzten Tropfen leerte er das Gefäß, dessen Flamme nicht verlosch, sondern weiterhin ihr Licht abgab, bis zu dem Augenblick, wo Boris sie wieder in die Halterung stellte.
Da wurde es schlagartig dunkel.
Er konnte nichts sehen, nur hören. Und er vernahm die seltsamen Geräusche, die einem Menschen Angst gemacht hätten, ihm jedoch nicht, denn er wollte lebende Schlangen.
Eine von ihnen kroch dicht an seinen Füßen entlang, berührte ihn sogar noch, so daß er stocksteif stehenblieb, denn er wollte unter keinen Umständen auf den Körper treten und ihn womöglich noch verletzen.
Deshalb wartete er, bis ihn die Schlange passiert hatte. Erst dann ging er Richtung Tür.
Auch im Dunkeln fand er sich zurecht, erreichte die Tür und drückte sie auf.
Wieder quietschte und kreischte sie in den verrosteten Angeln und Scharnieren.
Das Licht der Fackel traf ihn und zuckte schattengleich über sein Gesicht.
Eine Fackel mußte er aus der Halterung nehmen, denn er wollte Licht im Verließ haben.
Er nahm sie mit und brachte sie zu einem Haken an der Wand, wo er sie festklemmte.
Ruhig blieb der Schein nicht. Er bewegte sich von einer Seite zur anderen und ließ auch noch einen Teil des Raumes im Schatten.
Boris schaute sich um. Sein Gesicht verzog sich zu einem bösen Lächeln, als er sah, daß es die Figur nicht mehr gab. Sie hatte sich aufgelöst, war lebendig geworden, und…
Zwei Schlangen sah er. Ihre Anwesenheit ließ seine Überlegungen stocken. Aber wo steckte die dritte?
An den Körperumfängen der für ihn sichtbaren stellte er fest, daß keine der beiden Schlangen zu denen gehörte, die die Leiche verschlungen hatte.
Die hätte nicht so schlank ausgesehen.
Aber in der düsteren Ecke erkannte er die Bewegung.
Da lauerte die dritte.
Und sie kam vor.
Zusammengerollt hatte sie sich. Jetzt streckte sie ihren Körper, um sich in die Mitte des Verlieses zu schieben.
Auf dem Gesicht des Blutsaugers zeichneten sich deutlich seine Gefühle ab: Zufriedenheit, dann Triumph. Plötzlich spiegelte es Überraschung, als hätte ein kleines Kind den Weihnachtsmann gesehen.
Eine Schlange wand sich über den Boden des Kerkerverlieses.
Vieles an ihr war gleich geblieben.
Nur etwas Entscheidendes hatte sich verändert.
Der Kopf.
Auf dem Schlangenkörper saß der Schädel von Pamela Barbara Scott, genannt Lady X!
Und er zeigte keine Spur von Verwesung mehr!
***
Die
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