0344 - Vampir-Schlangen
Tiere sich so anormal verhalten, hat das seinen Grund. Ich denke, daß jemand in unserer Nähe lauert.«
»Dann müßte er uns gefolgt sein.«
»Sicher.«
»Der zweite Vampir?«
»Davon gehe ich eigentlich aus.«
Unwillkürlich schaute ich mich um. Einen Verfolger entdeckte ich dabei nicht. Nur die Nebelschleier, die wie Vorhänge zwischen und über den Bäumen hingen. Wenn uns der Blutsauger tatsächlich gefolgt war, hatte er es ausgezeichnet verstanden, sich in Deckung zu halten.
Für eine Weile blieben wir noch stehen und horchten. Hin und wieder vernahmen wir ein Knacken, und einmal hatten wir das Gefühl, ganz in der Nähe Schritte zu hören.
Ich leuchtete in die entsprechende Richtung. Leider wurde der Lampenstrahl aufgesaugt wie von einem Tuch. Zu sehen war nichts.
Auch keine schnelle Bewegung.
»Der Vampir ist schlau. Er wird aus der Vernichtung seines Artgenossen gelernt haben«, sagte Frantisek.
»Gehen wir weiter?« fragte ich ihn.
»Ja, es wird uns nichts anderes übrigbleiben. Den Blutsauger bekommen wir doch nicht zu Gesicht.«
Wir setzten unseren Marsch fort. Ich mit einem etwas unguten Gefühl. Es paßte mir nicht, heimlich verfolgt zu werden.
Während des Ganges achtete ich immer wieder auf irgendwelche Nebengeräusche. Hin und wieder hörten wir sie, nur nicht so deutlich wie früher. Unser Verfolger, falls es ihn überhaupt gab, hielt sich jetzt mehr zurück.
Irgendwann wurde der Wald lichter.
Auch der Nebel verflüchtigte sich. Wir konnten besser sehen und entdeckten schließlich die schwarze Burg, die in den Himmel ragte.
Noch standen wir im Schatten des Hangs. Marek stützte sich auf den Wanderstock und atmete tief und fest durch. Auch ich schnappte nach Luft. Der letzte Rest des Weges war anstrengend gewesen, hatte steil bergauf geführt.
Aus sicherer Deckung beobachteten wir das Gemäuer. Nichts wies darauf hin, daß sich Leben hinter den Mauern zeigte. Es wirkte verlassen und auch unheimlich.
»Ich bin bereit«, sagte Marek und stieß mich an. Über einen schmalen, kaum erkennbaren Pfad gingen wir die letzten Meter bis zu unserem Ziel und standen schon sehr bald vor der Mauer, die das Schloß umrandete.
An einigen Stellen war sie eingerissen. Lücken klafften, durch die wir bequem steigen konnten und so auf den düsteren Innenhof gelangten. Ich dachte daran, daß hier einmal ein harter Kampf gegen Lady X stattgefunden und ich auch an den Kufen eines startenden Hubschraubers gehangen hatte.
»Da ist doch jemand!« Marek stand geduckt neben mir. Seine Stimme hatte mich aus meinen Gedanken gerissen. Der Pfähler deutete auf eines der zahlreichen Fenster, hinter dessen Scheibe sich ein zuckender, rötlicher Lichtschein abzeichnete.
»Wenn es kein einsamer Wanderer ist, stoßen wir auf Boris Bogdanowich«, erklärte ich.
»Und auf Lady X!« fügte Marek hinzu.
»Genau«, erwiderte ich und setzte mich in Bewegung.
Hinter mir hörte ich Mareks Worte. Sie klangen wie ein Versprechen. »Ich werde sie pfählen, zum zweitenmal, und dann richtig…«
***
Zwei Schritte trat der Vampir zurück. In seine Augen stahl sich ein geheimnisvolles und gleichzeitig triumphierendes Leuchten, als er sah, welchen Erfolg er mit dem Einflößen des Getränks erzielt hatte.
Die tote Materie lebte. Sie war beseelt worden, und sie würde das tun, wozu sie ausersehen war.
Bogdanowich hoffte, daß ihn nun niemand mehr störte. Er brauchte seine volle Konzentration, und er saugte die magische Atmosphäre in sich ein, die in dem Verlies lag.
Das gab ihm Auftrieb, das gab ihm Hoffnung. Er blühte auf, als würde er vom bleichen Licht des Vollmonds getroffen.
Die Schlange löste sich. Geschmeidig waren ihre Bewegungen.
Erst jetzt konnte der Blutsauger erkennen, daß sie im unteren Drittel nicht mit den anderen beiden Körpern festgewachsen war. Glatt und sicher löste sie sich von ihnen, senkte den flachen Kopf, der trotz allem ein so großes Maul besaß, und berührte schon den Boden.
Noch eine Schleife drehte sie, um sich von der linken Seite dem liegenden Körper der Lady X zu nähern.
Geschmeidig glitt die Schlange näher an die Königin der Vampire.
Sie schlug noch einmal einen Bogen und kam dicht hinter den Füßen der Leiche zur Ruhe.
Gespannt beugte Bogdanowich sich vor. Beide Hände hielt er ausgestreckt. Es sah so aus, als wollte er die Schlange bitten, es doch endlich zu tun. Sie zögerte nicht mehr lange, bewegte ihren Oberkörper noch ein winziges Stück vor und öffnete dabei ihr
Weitere Kostenlose Bücher