0344 - Vampir-Schlangen
Vampirschlange wand sich näher. Sie kam auf ihn zu, so daß Boris Bogdanowich sie jetzt deutlicher als je zuvor sehen konnte.
Seine Pupillen waren noch immer geweitet. Die Überraschung stand darin festgeschrieben. Zusammen mit einer ungeheuren Freude, es endlich geschafft zu haben.
Noch pendelte der Kopf dicht über dem Untergrund. Dann hob die Schlange ihren Oberkörper an, so daß auch der Vampirkopf mit in die Höhe gedrückt wurde.
Langes schwarzes Haar, über das die Reflexe des Feuers tanzten, rahmte den Kopf ein. An einigen Stellen glänzte es auch wie mit Öl eingerieben, während die Gesichtshaut bleich und blutleer wirkte.
Dunkel schimmerten die Augen. Auch in ihren Pupillen spiegelte sich das Licht der Flamme. Der Mund war zu einem kalten, grausam wirkenden Lächeln verzogen, und als Lady X ihre Lippen öffnete, präsentierte sie zwei weiße, spitze Blutzähne.
Ihr Kopf befand sich ungefähr in halber Körperhöhe des Vampirs, der etwas sagen wollte, aber nicht wußte, wie er die Vampirschlange und Königin der Blutsauger ansprechen sollte.
Lady X selbst half ihm über diese Verlegenheit hinweg. »Du hast den Schlangenzauber angewendet«, erklärte sie mit zischender Stimme. »Daß du dies getan hast, zeigt mir, daß ich es mit einem Wissenden zu tun habe. Wer bist du genau?«
»Boris Bogdanowich!«
»Woher stammst du?«
»Ich entstamme einer uralten Vampirsippe, deren Mitglieder sich aufgemacht haben, um dich zu suchen und dich aus der Kühle des Grabes zu befreien. Wir sind zum Kampf gezwungen worden. Die meisten von uns verloren ihr Leben, ich blieb übrig, schwor Rache und stellte klar, daß ich nicht aufgeben würde. Ich habe auch nicht aufgegeben, sondern geforscht, nachgelesen und den alten Vampirzauber gefunden, der es geschafft hat, dich wieder zum Leben zu erwecken. Ich wußte nicht, daß du so werden würdest, aber es ist besser, als in grabkalter Erde zu liegen und allmählich zu vermodern. Dein Geist soll uns Vampire führen. Wir wollen wieder eine Königin haben und setzen auf dich. In diesem Schloß hast du einmal gewohnt. Du hast es dir ausgesucht, hierher sollst du zurückkehren, von diesem Platz aus dein großes Reich regieren. So habe ich es geschworen, und so werde ich den Schwur auch halten.«
»Es sind große Worte«, erklärte Lady X. »Meinst du denn, daß du sie einhalten kannst?«
»Hast du das nicht bemerkt?«
»Sicher, ich habe es bemerkt, Boris. Aber ich weiß jetzt auch, daß du den Schlangenzauber nicht voll beherrschst.«
Boris Bogdanowich war irritiert. »Wie… wie meinst du das?« fragte er schüchtern an.
»Um dem Schlangenzauber seine Wirkung zu geben, müssen alle drei beseelt werden. Bisher ist es nur mit einer, mit mir, geschehen. Zwei fehlen noch.«
»Und…«
Als Antwort bekam er ein zischendes Lachen und dann drei hart geflüsterte Worte: »Schau nach unten!«
Boris blickte auf seine Schuhspitzen. Direkt davor hockte eine Schlange. Ihr Kopf lag fast waagerecht, das Maul war sperrangelweit offen, und er hörte, wie Lady X sagte: »Es gehören drei dazu. Du, Boris, wirst der zweite sein…«
Während ihrer Worte war die zweite Schlange bereits dabei, den Fuß des Vampirs in ihr Maul zu schieben…
***
Wintek spürte den Druck auf seinen Schultern. Er hatte gleichzeitig das Gefühl, jemand würde ihm Eisenstäbe in das Fleisch rammen, soviel Kraft lag hinter dem Griff.
Verzweifelt stöhnte er auf und konnte doch nichts daran ändern, von dem Blutsauger in die Knie gedrückt zu werden.
Plötzlich war Bianca frei.
FREI!
Es war wie ein Schrei, der ihr Gehirn durchpeitschte. Meine Güte, sie hatte jetzt das, was sie sich schon so lange wünschte. Endlich nicht mehr eine direkte Gefangene zu sein, so daß sich ein Fluchtweg für sie öffnen konnte.
Wohin?
Nicht dahin, wo sie hergekommen waren. Dieser Weg war ihr durch die Kämpfenden versperrt. Zum Glück gab es weitere Stollen, die in den Berg hinein und zum Schloß führten.
Einen davon wollte sie nehmen.
Noch einen letzten Blick warf sie auf Wintek. Der Krumme mußte um sein Leben kämpfen. Er schrie dabei. Ob er den Kampf gewann, war fraglich. Wann hatte ein Mensch schon je Chancen gegen einen Vampir gehabt? Das Mädchen hatte Wintek als einen Feind angesehen, nun tat er ihr einfach leid, doch sie selbst traute sich nicht, gegen den Blutsauger anzugehen. Der hätte auch sie geschafft.
Bianca zog sich vom Schein des Feuers zurück. Die beiden Kämpfenden hatten genug mit sich selbst zu
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