0346 - Medusas Horrorblick
Geschichte, den Gorgonen und davon, daß man sie nicht töten konnte.
Auch Legenden leben weiter!
An diesen Satz mußte Henry Harrison denken, als er durch die Scheibe in den Garten schaute.
Legenden leben weiter. In Büchern, in Geschichten und Erzählungen, vielleicht in den Köpfen der Menschen, aber in der Realität?
Können Legenden lebendig werden?
Er hob die Schultern und schüttelte gleichzeitig den Kopf. Nein, er wollte daran nicht glauben, obwohl die Tatsachen beim Tod Peter Rolings dagegen sprachen.
Das Brummen eines Automotors zerstörte die Ruhe im Park. Henry schaute zur Seite, wo der Weg einen Bogen schlug und vor dem Haus endete. Dort fuhr ein hellgelber Lieferwagen. Er gehörte dem Party-Service, bei dem das abendliche Büfett bestellt worden war. So etwas lag in den Händen von Dana. Sie war dafür wie geschaffen.
Henry wußte, daß es eine »stumme« Party werden würde. Man würde sich über Peter Rolings Tod unterhalten. Dann erfuhren die Parteifreunde davon und auch Kosta Kastakis.
Er war gewissermaßen der Ehrengast dieser Party. Seine Yacht dümpelte im Hafen, und er hatte, das wußte Henry auch, seine Statue aus der Heimat mitgebracht.
Die goldene Medusa.
Kalt rann es Harrison den Rücken hinab, als er daran dachte. Medusa mit dem Schlangenkopf. Wer sie anschaute, wurde zu Stein.
Eine furchtbare Geschichte, die dem Mann schwer im Magen lag.
Er ging zur Barklappe, öffnete sie und nahm eine Whiskyflasche hervor. Einen Doppelten goß er in das handgeschliffene Kristallglas mit seinem Monogramm.
Er schaute auf die goldbraune Flüssigkeit, ließ sie kreisen und leerte das Glas danach bis zur Hälfte. Im Magen spürte er wenig später die Wärme des Alkohols. Im Sessel sitzend leerte er das Glas bis zum letzten Tropfen, bevor er merkte, daß ihm die Augen schwer wurden und automatisch zufielen. Er kämpfte nicht dagegen an, die Natur forderte ihr Recht. So schlief Henry ein.
Nun peinigten ihn Träume.
Obwohl er nicht dabei gewesen war, sah er seinen Freund Peter Roling vom Dach fallen. Überdeutlich das Gesicht, aufgebläht zu einem Ballon, mit gewaltigen Sinnesorganen, die, als der Schädel wuchtig zu Boden schlug, zerplatzten, inmitten einer Wolke aus Staub in alle Richtungen davonflogen und zu kleinen, goldenen Schlangen wurden, die sich wie ein Zeltdach auf den Körper des Schlafenden senkten, so daß dieser mit einem Schrei auf den Lippen in die Höhe schreckte und in das besorgte Gesicht seiner Frau schaute.
»Henry, wach auf. Die ersten Gäste sind eingetroffen!«
Er fuhr hoch. Seine Bewegungen waren hektisch. »Was? Was hast du gesagt?«
»Du mußt aufstehen, Darling! Die ersten Gäste sind da!«
Henry nickte, beugte sich nach vorn und wischte über seine Augen. »Verflixt, ich habe geschlafen und wußte nicht, was passiert ist. Ich… ich war in einer anderen Welt.«
»Das habe ich bemerkt.«
Harrison ließ die Hände sinken und schaute hoch. Seine Frau stand vor ihm. Sie hatte sich umgezogen und trug ein langes Kleid, dessen Stoff in einem tiefen Rot schimmerte. Das Kleid war großzügig ausgeschnitten und auch schulterfrei.
Henry stand auf und legte seine Hände auf Danas Haut. »Toll«, sagte er, »wirklich toll. Du siehst blendend aus, meine Liebe.«
Dana wurde rot. »Danke, aber jetzt müssen wir.«
»Klar.« Er lächelte schief. »Leider. Ich hätte etwas Besseres mit dir vorgehabt.«
»Bitte, Henry.« Sie tat entrüstet und wand sich unter seinen Händen weg, die schon auf dem Busen lagen. »Doch nicht jetzt.«
Er hob die Schultern. »Wer weiß, Dana? Vielleicht wäre es das letztemal gewesen, daß wir so miteinander…«
»Wie redest du denn?«
»Wie ein Mensch, der einen schlechten Traum gehabt und vor dem Schlaf nachgedacht hat.« Mit einer müden Bewegung hob er den Arm. »Peters Tod ist mir näher gegangen, als ich es je gedacht hätte. Das hat mich umgehauen.«
»Du wirst darüber hinwegkommen, Darling.«
»Möglich, obwohl ich es nicht glaube«, erwiderte er und schüttelte dabei den Kopf.
Obwohl es eilte und die Gäste warteten, konnte Dana ihren Mann jetzt nicht allein lassen. »Was macht dich denn so unruhig?«
»Es ist nicht allein Peters Tod, auch diese verdammte Statue. Ihr lastet das Unheil an.«
Seine Frau nickte. »Das kann man so sehen. Du wirst dich bald näher erkundigen können. Schließlich kommt Kosta Kastakis heute zu uns. Und auch ich werde ihn fragen.«
»Das kannst du.«
»Wobei ich mich übrigens frage, was er bei uns
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