0346 - Medusas Horrorblick
will. Für mich ist es ein Rätsel. Er würde sich zwischen den Gästen, die wir eingeladen haben, nicht wohl fühlen.«
»Du kennst ihn schlecht.«
»Ich kenne ihn überhaupt nicht, nur seine Ansichten, und die sind mir zuwider.«
»Ich habe ihn einladen müssen«, verteidigte sich der Mann. »Ich konnte nicht anders.«
»Ist ja schon gut, ich sage nichts mehr. Er hat euch auch in Griechenland bewirtet.«
»Eben.«
»Dann komm jetzt.«
Damit war Henry einverstanden. Er fuhr mit seinen Fingern noch durch das Haar, versuchte das Politiker-Lächeln anzuknipsen, was ihm nicht so gelang, und schritt auf die Tür zu, die Dana offen gelassen hatte.
Aus der Halle wehte Stimmengewirr zu ihnen hoch. Über das Geländer hinweg warf der Mann einen Blick nach unten. Nicht nur seine Gäste waren fast alle versammelt, auch der Party-Service arbeitete rasch, sicher und immer mit einem Lächeln auf den Gesichtern.
Dana war schon unten. Henry folgte ihr langsamer. Er hörte, wie sich die anderen beschwerten.
»Will dein Mann nichts mehr mit seinen Freunden zu tun haben?« rief jemand. Die Stimme gehörte Winston Clarke. Er war der Radikalste in der Gruppe und stolz darauf, keine einzige Krawatte zu besitzen. Auch heute trug er einen braunen Cordanzug und ein T-Shirt-Hemd darunter.
»Doch, ich komme gern.«
Henry zeigte sich. Clarke, der am Fuße der Treppe stand, drehte den Kopf. »Ah, du bist also doch da.« Er hob sein Glas, in dem Whisky schillerte. Clarke konnte unheimlich viel vertragen. Mit seinem wilden Haarwuchs, dem prächtigen Bart und der tiefen Stimme erinnerte er an einen Bären, und den Spitznamen hatte er auch bekommen.
Henry lief elastisch die Treppe hinab. »Entschuldige, aber ich mußte mich noch ein wenig frisch machen.«
Der »Bär« lachte. »Siehst mir eher aus, als hättest du geschlafen, alter Freund.« Er schlug Henry auf die Schulter. »Wenn ich erst einmal in dein Alter komme, denke ich vielleicht auch so.«
»Du mit deinen drei Jahren weniger.«
»Aber ich werde dich nie erreichen.«
»Sind die anderen auch da?« fragte Henry. »Ja, sie haben sogar ihre Frauen mitgebracht.«
»Wird Zeit, daß du dir auch wieder eine anlachst.« Winston Clarke lachte. »Nein, danke, ich bin ein gebranntes Kind. Und das scheut das Feuer.«
»Stimmt auch wieder. Wir sehen uns gleich noch.« Henry ließ den Freund stehen und suchte die engeren Bekannten. Es war gar nicht so einfach, denn auch andere Gäste waren eingetroffen und hatten die Halle ziemlich gefüllt.
Henry mußte zahlreiche Hände schütteln, bis er Tim Abbot erreichte, der am Kamin lehnte und in die Flammen starrte. Das Feuer warf ein Muster auf sein Gesicht und ließ ihn seltsam gespenstisch aussehen.
»Hallo, Tim.«
Abbot drehte sich um. Er war ein schmaler Mann. Die dunkle Hornbrille paßte eigentlich nicht zu ihm, und jetzt, da er aus der unmittelbaren Nähe des Feuers wegtrat, sah er noch blasser aus, als er in Wirklichkeit war. Sorgen schienen ihn zu drücken.
»Wie geht es dir, Tim?«
»Nicht gut.«
»Ich weiß, die Sache mit Peter.«
»Ja.« Tim starrte auf seine Fußspitzen, preßte die Lippen zusammen und versenkte die Hände in den Hosentaschen.
Henry fühlte sich unwohl. »Ich hätte die Party abbrechen müssen«, sagte er, »aber du weißt ja, wie das ist. Die Show muß weitergehen, das wollen die Leute.«
»Leider.«
»Und Peter hätte es vielleicht nicht anders gemacht.«
»Möglich.«
»Trink einen Schluck auf ihn, Tim.« Henry legte eine Hand auf die Schulter des anderen. »Ich weiß, daß ihr beide befreundet gewesen seid, und Peters Tod…« Tim Abbot unterbrach ihn. »Ich hörte, er ist zu Stein geworden.«
»Kann sein.«
»Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, wie so etwas überhaupt möglich sein konnte?«
»Ich weiß nicht, Tim, es ist alles zu plötzlich gekommen. Ich hatte noch eine Wahlveranstaltung…«
»Aber ich, Henry, ich habe mir Gedanken über seinen Tod gemacht. Ich konnte nicht anders, und ich mußte auch wieder an unseren Besuch in Griechenland denken. Da hat er uns eine Statue gezeigt. Es war die goldene Medusa. Erinnerst du dich?«
»Ich weiß.«
»Dann weißt du sicherlich auch, welche Kräfte man dieser Gorgone nachsagt.«
»Sicher.«
»Muß ich noch mehr sagen?«
»Eigentlich nicht, Tim. Vielleicht später, wenn Kosta Kastakis gekommen ist.«
»Auf ihn warte ich ganz besonders, Henry, und auch darauf, was er zu dem Tod unseres Freundes zu sagen hat. Kastakis steht gegen
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