0347 - Satans Mädchenfänger
Kräfte möglicherweise neutralisieren.«
»Und du gar nichts mehr hast.«
»Genau.« Beiden war uns nicht wohl. Wahrscheinlich trug ich einen ähnlichen Gesichtsausdruck zur Schau wie Suko, denn mein Partner war bleich geworden. Die Lippen bildeten zwei blasse Striche, die aufeinanderlagen. Seine Wangenmuskeln zuckten, er hatte die Stirn in Falten gelegt und atmete einige Male scharf ein.
»Bitte, gib es mir wieder!« Stumm reichte mir der Freund das Kreuz entgegen. Als ich es in der Hand hielt und darauf schaute, kam es mir vor wie ein fremder Gegenstand. Ich spürte im Hals das Kratzen, den dicken Kloß, der einfach nicht weichen wollte. Noch nie im Leben war es mir so schwergefallen, die entsprechenden Worte über die Lippen zu bringen. Auch ich hatte Angst, daß etwas Unvorhergesehenes geschehen würde.
Die Fläche in der Mitte lag frei. Nichts konnte ich erkennen. Kein Zucken, kein Vibrieren, keine Abbildung irgendeines Gegenstandes, nur die freie, silberne Fläche.
»Traust du dich nicht?« fragte der Chinese. »Es ist so verflucht schwer.«
»Kann ich mir vorstellen. Mach es trotzdem.« Ich holte noch einmal tief Luft, schaute mich um in diesem kahlen, leeren Raum, in dem es nach Mörtel, Beton und Kalk roch und zudem noch zugig war. Vielleicht stieß ich auch ins Leere, und alles war eine gigantische Falle, die man mir gestellt hatte.
Suko war zurückgegangen. Er hielt sich dicht an der Wand auf und nur eine halbe Schrittlänge von der Tür entfernt. Er schaute mich scharf an, ich sah sein Nicken, überwand mich selbst und sprach die alles entscheidende Formel.
»Terra pestum teneto – Salus hic maneto…«
***
Zum erstenmal atmeten die beiden flüchtenden Mädchen auf, als sie den Hinterhof passiert hatten. Es war nichts geschehen. Niemand hatte sie angegriffen oder sich ihnen in den Weg gestellt. Sie hatten das Gebäude sogar umrunden können und standen nun am Rand des Grundstücks, wo sie erst einmal tief durchatmeten.
»Bist du okay?« fragte Gloria ihre Freundin.
Diana Neerland holte tief Luft, legte den Kopf in den Nacken, öffnete den Mund noch weiter und sagte Worte, die Gloria nicht verstand. Diana war fertig. Sie besaß längst nicht die Kondition einer Gloria Gibson. Das Leben im Club hatte sie gezeichnet. Besonders der Alkoholgenuß und das zahlreiche Qualmen der Zigaretten.
Das kostete Tribut. Gloria half ihr dabei, indem sie ihrer Freundin auf den Rücken schlug, damit sie durchhusten konnte.
»Verdammt, nicht so laut!« zischte die Gibson.
Diana schüttelte den Kopf, kam hoch und bog ihren Oberkörper durch. »Du hast gut reden, Mädchen, aber ich bin fertig.«
»Das ist deine Schuld.«
»Wieso?«
»Ich habe dich gewarnt, aber du konntest nicht hören. Hör auf mit dem Saufen und…«
»Andere fixen.«
»Das ist für mich kein Maßstab.« Gloria wechselte das Thema.
»Kannst du denn wieder?«
Diana Neerland legte ihren Kopf in den Nacken, atmete stark ein und aus, wobei sie nickte. »Es muß wieder gehen, weißt du. Ich bin zwar nicht die Frischeste, aber weiter.«
»Okay, komm…«
Die Mädchen standen günstig. Noch wurden sie vom angepflanzten Buschwerk der kleinen Parkanlage, in der der Club lag, gedeckt.
Licht erreichte sie nicht. Die beiden großen Laternen leuchteten weiter vorn, wo sich auch der repräsentative Eingang befand. Gar nichts deutete auf ein Edelbordell hin. Man brauchte als Gast nicht in die anderen Räume zu gehen, sondern konnte auch normal sitzen, etwas essen und trinken.
Doch hinter der Fassade brodelte es gefährlich…
Der Boden war weich. Regen hatte ihn so werden lassen, und die Schuhe der Frauen blieben oft genug stecken. Erst als sie einen schmalen Pfad erreichten, konnten sie besser laufen.
Natürlich wußten beide, daß sie noch nicht in Sicherheit waren.
Das dauerte eine Weile. Sie würden es erst sein, wenn sie die Brücke überquert hatten.
Und die war noch weit.
Gloria ging vor. Sie hatte ihre Freundin an die Hand genommen, und Diana stolperte oft genug hinter ihr her. Fragen stellte sie nicht, den Weg hatte Gloria ausgekundschaftet.
Nach einigen Minuten hatten sie das Gelände hinter sich gebracht und befanden sich nun dort, wo die Auffahrten zur Chelsea Bridge ein Wirrwarr aus schmalen Betonschleifen bildeten. Dazwischen war Rasen gesät worden.
Um auf die höher gelegene Brücke zu gelangen, mußten sie einen angeschütteten und ebenfalls mit Rasen bedeckten Hang hoch. Danach erreichten sie die Chelsea Bridge Road, die
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