0347 - Satans Mädchenfänger
Türöffnung stehen. Wahrscheinlich hatte er unser Gespräch vernommen und kam, um nachzuschauen.
Er wollte etwas fragen, das sah ich seinem Gesicht an, doch ich schüttelte den Kopf und Suko verstand. Er hielt den Mund.
Noch hatte sich Lilith nicht gemeldet, aber ich hörte sie.
Es war schrecklich. Obwohl ich sie nicht sah, hatte ich das Gefühl, jemand würde dicht neben mir stehen und atmen.
Kein normales Luftholen, wie man es von einem Menschen her kennt. Dieses Atmen war als furchtbar anzusehen. So lang, so schluchzend, so anhaltend und schlürfend.
Während der Geräusche rann mir ein kalter Schauer über den Rücken, und ich hatte Mühe, meine Furcht zu unterdrücken.
Suko kam näher.
»Vorsicht!« warnte ich ihn, »geh nicht weiter. Du weißt, daß sie gefährlich ist…«
»Ja, ich bin gefährlich!« hörte ich Liliths Stimme. »Und ich will euch noch etwas sagen. Luzifer hat sich entschlossen, die alten Zustände wieder herzustellen. Er will eingreifen, er wird eingreifen, er hat schon eingegriffen. Ich bin dabei, seinen Plänen zu folgen, und ich habe es in der Hand, eine Armee aufzubauen. Eine Armee des Schreckens. Menschen, die zu meinen Dienerinnen werden. Über Wikka, die ihr auch gekannt habt, kann ich nur lachen. Sie war ein Nichts, sie hat dem Teufel gehorcht, aber ich bin gleichgestellt mit Luzifer. Habt ihr gehört? Gleichgestellt!« Nach diesen Worten folgte ein scharfes, hallendes und grausames Lachen, das irgendwo in der Düsternis des Hauses mit einem schaurigen Echo verklang und ein letzter Gruß dieser gefährlichen und auch biblischen Gestalt war.
Ich schaute auf mein Kreuz!
Es hatte sich verändert.
Kein L war mehr zu sehen, wieder nur die leere Fläche, ohne die beiden ineinander verschachtelten Dreiecke mit den für mich noch fremden Symbolen herum.
Suko kam vor. »Verstehst du es jetzt, John?«
»Nein«, flüsterte ich.
Suko wußte natürlich, wie sehr ich an dieser Waffe hing. Wir konnten trotzdem nicht die Augen vor den Tatsachen verschließen.
»Sie scheint Macht über das Kreuz zu haben«, sagte er.
»Leider.«
Mein Freund blieb stehen. »Kann ich es mal haben?«
»Bitte.« Ich reichte es ihm. Suko wog es auf seinem flachen Handteller und schaute es sich genau an. »Es müßte doch herauszufinden sein, wie es möglich ist, daß eine Gestalt wie Lilith Macht über das Kreuz bekommen hat.« Er blickte mich an. »John, du warst doch in Babylon. Hast du da nichts herausgefunden? Hesekiel hat das Kreuz in seiner babylonischen Gefangenschaft hergestellt. Er mußte demnach etwas von Lilith oder der Großen Mutter gewußt haben.«
»Nur können wir ihn nicht fragen.«
»Das stimmt…«
Suko war ebenso nachdenklich geworden wie ich. Natürlich hatte der Prophet Hesekiel dem Guten gedient. Er war einer der wirklich großen Seher gewesen, aber auch ein Mensch. Und Menschen können sich irren. Menschen sind Versuchungen unterlegen, sie können ihnen nicht immer trotzen. Schon bei der ersten großen Schlacht zwischen Gut und Böse hatte Lilith mitgemischt. Sie hatte eine mit entscheidende Rolle gespielt, sie war das Weibliche an sich, die Schlange in der Frau. Sollte sie den Propheten Hesekiel vielleicht bei der Herstellung des Kreuzes beeinflußt haben? Nicht als er an die vier Erzengel dachte, sondern an die anderen alten Mythologien, deren Machtsymbole ebenfalls in das Kreuz eingraviert worden waren. Hesekiel hatte weit in die Zukunft schauen können, er wußte, daß der Erlöser kommen würde, deshalb die Kreuzform, aber er konnte auch übertölpelt worden sein.
»Denkst du das gleiche wie ich?« erkundigte sich Suko.
»Möglicherweise.«
Mein Freund nickte. »Man wird Hesekiel unter Umständen hereingelegt haben. Das wäre natürlich schlimm, wir werden sehen.«
»Ich glaube trotzdem, daß mir nichts anderes übrigbleibt, als es zu beschwören.«
»Du meinst aktivieren?«
»Ja.«
»Und wann?«
Ich schaute auf meine Uhr. »Wir haben zwar nicht sehr viel Zeit verloren, aber uns ist klargemacht worden, daß wir keine Minute mehr verschenken dürfen, deshalb werde ich es hier und jetzt versuchen. Das müßte klappen, Suko. Ich will die Kraft der Erzengel gegen die der Lilith ausspielen.«
»Es könnte fatal werden«, warnte mich Suko.
»Ja.« Ich nickte. »Daran habe ich auch schon gedacht. Wenn ich die eine Kraft aktiviere, möchte ich, daß sie sich gegen die andere stellt. Unter Umständen hat mein Kreuz darunter zu leiden. Ich rechne auch damit, daß sich die
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