0348 - Henker der Hölle
sich in dem breiten, bequemen Bett und wartete auf Bill. Ein Mädchengesicht, wuscheliges rotes Haar, grün funkelnde Augen…
»Hallo«, sagte das Mädchen nur.
»Wer hat denn dich in mein Bett gelegt?« fragte Bill matt. Der Duft, den er wahrnahm, war anziehend und abstoßend zugleich. Er konnte ihn nicht richtig einordnen.
»Ein Freund schickte mich. Du brauchst Entspannung, Bill«, sagte das Mädchen. »Und es ist nicht so, daß du mir unsympathisch wärest… komm!«
»Wer sagt dir überhaupt, daß ich will?« brummte er.
»Du wirst wollen, warte es nur ab«, raunte das Mädchen geheimnisvoll und streckte verlangend die Arme aus. »Komm zu mir… du brauchst mich.«
Er lachte leise. »Und was kostest du?«
Sie war nicht beleidigt. Sie lachte ebenfalls. »Der Preis ist deine Seele, Bill Fleming«, sagte sie spöttisch.
Bill winkte grinsend ab. »Du bist verrückt«, sagte er. »So verrückt wie dein Freund Iron. Er ist es doch, oder?«
Sie antwortete nicht.
Irgendwann später genoß Bill Fleming, was ihm geboten wurde. Etwas in ihm wunderte sich, daß er nicht schon vor Erschöpfung eingeschlafen war. Doch das Gegenteil war der Fall. Je länger er die Umarmungen des rothaarigen Mädchens genoß, desto kräftiger fühlte er sich. Sein Zustand besserte sich zusehends. Irgendwie floß ihm Kraft zu, mit der er niemals hatte rechnen können.
Gab das Mädchen ihm auf irgend eine Weise diese Kraft?
Sie ist eine Hexe, raunte etwas warnend in ihm. Oder ein Dämon… ein Succubus… Höre auf, solange du es noch kannst! Oder kannst du schon nicht mehr zurück?
Aber Bill ignorierte die Warnung.
***
Als an der mexikanischen Ostküste Bill Fleming in tiefen Schlummer sank, war es in Frankreich längst Morgen. Zamorra legte den Dhyarra-Kristall zur Seite. Das helle Funkeln war erloschen.
Gryfs Augen waren klein geworden. Der Druide zeigte sich ermattet.
Er hatte Zamorra alles an Kraft gegeben, was ihm möglich war. Auch Zamorra fühlte sich geschwächt. Zwar arbeitete der Dhyarra-Kristall für gewöhnlich aus eigenen kosmischen Energien heraus, aber um das gesuchte Bewußtseinsmuster aufrechtzuerhalten und zu filtern, benötigte Zamorra eigene mentale Reserven.
Und die waren jetzt erschöpft. Er hatte die ganze Nacht über durchgehalten, hatte versucht, das Unmögliche möglich zu machen.
Und er glaubte auch, einen schwachen Hauch verspürt zu haben. Aber er war sich trotz allem nicht völlig sicher. Da war etwas gewesen, das ihn an Bill erinnerte. Aber es war so fremd, so unsagbar fremd… Wenn der, dessen Geist Zamorra gespürt hatte, wirklich Bill Fleming war, so hatte er sich innerlich sehr verändert.
Furchtbar verändert. Zum Schlechten. Dann war Bill – möglicherweise zum Feind geworden…
Zamorra wollte es nicht wahrhaben. Etwas in ihm weigerte sich, das zu akzeptieren. So viele Jahre hatten sie gemeinsam gekämpft, oftmals Seite an Seite, und hatten den Finstermächten getrotzt. Das konnte sich nicht einfach so ändern!
»Du klammerst dich an etwas«, murmelte Gryf. »Du hoffst und harrst, dabei müßte dir dein Verstand sagen, daß Bill längst nicht mehr der ist, der er einst war.«
»Du glaubst also, daß er es ist, den ich spüre?«
»Ich sage es dir, wenn meine Pfeife brennt und ich einen großen Topf Whiskey vor mir stehen habe. Wie groß sind deine Bestände noch?«
»Wenn kein druidischer Plünderer da war, beträchtlich«, murmelte Zamorra.
Wenig später saßen sie draußen am Swimmingpool in der Morgensonne, die langsam wärmer wurde, und genossen den Ausblick über den kleinen Park, der sich hinter dem Château erstreckte und sich innerhalb der schützenden Ummauerung und somit auch innerhalb der schützenden weißmagischen Abschirmung befand. Zwischen Sträuchern lag eine Grabstätte. Dort lagen die sterblichen Überreste eines Geschöpfes bestattet, das einst mit zur Zamorra-Crew gehört hatte. Die »weiße« Vampir-Lady Tanja Semjonowa, die ihre besonderen Fähigkeiten für das Gute eingesetzt und ein Opfer des Dämons Sanguinus geworden war.
Sanguinus gab es auch schon lange nicht mehr…
Zamorra hing seinen Gedanken nach. Raffael, längst wieder auf den Beinen, hatte ihm einen starken Kaffee serviert, und Gryf nippte an einem großen Glas »Jack Daniel’s«. Gelassen sog er zwischendurch an seiner Pfeife.
An diesem Morgen, im hellen Sonnenlicht nach der anstrengenden Nacht, sah man ihm sein Alter an. Er wirkte plötzlich nicht mehr wie der große Junge, der gerade mal
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