0349 - Brücke der knöchernen Wächter
sich ratlos. »Das verstehe ich auch nicht. Da muß mein Netz zusammengebrochen sein wie ein Kartenhaus. Bisher habe ich mich immer auf meine Informanten verlassen können. Jetzt aber stehe ich dumm da, das gebe ich ehrlich zu. Mit diesem Bai habe ich nicht gerechnet.«
»Für mich muß es einfach einen Zusammenhang zwischen ihm und den beiden von uns gesuchten Personen geben«, erklärte ich.
»Den Bai haben wir gefunden, es fehlen die anderen. Wo könnten sie sein?«
»Fragen Sie ein Orakel, Sinclair. Ich kann Ihnen beim besten Willen die Antwort nicht geben.«
Da wir in der Leichenhalle keine Hinweise mehr fanden und wohl auch keine mehr finden würden, gab es für uns nicht den geringsten Grund, noch länger an diesem makabren Ort zu bleiben. Es blieb uns nichts anderes übrig, als die Spuren der von uns gesuchten Personen erneut zu suchen.
Auch Suko beschäftigte sich mit den gleichen Gedanken, wobei er noch hinzufügte: »Auf jeden Fall werden wir den Bai im Auge behalten, darauf kannst du Gift nehmen.«
»Man sagt ihm nach, daß er auch im Tod seine Stärke nicht verlieren würde«, fügte Claude noch hinzu.
»Und wo steht das?«
Renard ging bereits zur Tür. »Nirgendwo. Das erzählen sich die Legendenberichter in der Altstadt von Marrakesch. Man muß sehr genau zuhören und kann viel über dieses Land, seine Menschen und deren Schicksale erfahren.«
Das schien mir auch so. Einen letzten Blick warfen Suko und ich auf den offenen Sarg, während der Franzose schon an der Tür stand und sie öffnen wollte.
Da hörten wir ihn fluchen.
»Was ist?« Ich lief einige Schritte vor.
Er drehte sich um, wobei er die Klinke noch in der Hand hielt.
»Verdammt, es ist abgeschlossen!«
***
Wieder waren wir sprachlos. Alle drei standen wir auf dem Fleck und rührten uns nicht. Da hatte uns doch einer reingelegt. So völlig leer schien der Friedhof nicht zu sein. Ich dachte an Renards Worte.
Er hatte von den zahlreichen Augen in der Nacht gesprochen. Anscheinend lag er damit genau richtig.
An der Tür wartete der Franzose auf uns. Suko erreichte ihn früher als ich und probierte die Klinke aus. Sie bestand aus Metall, zeigte eine verschnörkelte Form, und als Suko sie herunterdrückte, hörten wir zwar das Geräusch, aber er schaffte es nicht, die Tür zu öffnen.
»Kalt erwischt«, kommentierte Renard. Er konnte nicht vermeiden, daß seine Stimme belegt klang.
Ich schaute mir die Tür genauer an. An dieser Seite war sie glatt, fugenlos, und als meine Finger darüber hinwegglitten, merkte ich sehr deutlich, daß wir es mit dickem Holz zu tun hatten, das wohl keiner von uns durchbrechen konnte.
»Sollen wir es zu dritt versuchen?« fragte Claude, der unbedingt etwas unternehmen wollte.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, auf keinen Fall. Wir würden uns nur verletzen. Es muß einen anderen Weg geben, diesem Gefängnis zu entkommen.«
»Und welchen?«
»Da oben.« Das hatte Suko gesagt und gleichzeitig einen Arm ausgestreckt. Der Zeigefinger wies dorthin, wo sich dicht unter der Decke der Leichenhalle einige Fenster befanden. Sie waren bogenförmig angelegt. Für mich stimmte das Verhältnis nicht, denn im Vergleich zur Wandhöhe waren die Fenster zu klein. Wenn sie aus Glas bestanden, so war dieses Glas sehr dunkel, denn nicht einmal graues Dämmerlicht drang durch die Lücken.
»Wie kommen wir dahin?« fragte Suko, der Praktiker, und ließ seine Blicke an meiner Gestalt entlanggleiten.
Ich hatte ihn verstanden. »Umgekehrt, Alter. Dein Körper eignet sich besser als Sockel.«
»Sie wollen hoch?« fragte Renard.
Ich lachte auf. »Was heißt wollen? Wir müssen einen Ausweg finden. Ich habe keine Lust, in dieser verdammten Leichenhalle eingeschlossen zu bleiben und hinterher so auszusehen wie der Typ im Sarg.«
»Klar, dann baut die Pyramide.«
Suko hatte sich schon mit dem Rücken zur Wand und breitbeinig aufgestellt. Die Finger seiner Hände waren ineinander verknotet, befanden sich in Gürtelhöhe und bildeten so etwas wie eine Stufe, auf die ich meinen Fuß setzte.
»Jetzt!« sagte ich.
Suko stemmte die Arme hoch und gab mir, dem Kletterer, noch Unterstützung.
Auch Claude Renard half dabei mit, indem er sich zu Suko stellte und ihn festhielt, damit auch er besser durchhalten konnte. Ich kroch förmlich an der Wand hoch, stützte mich mit den Handflächen ab, streckte die Arme aus und erreichte das Fenster, das ich aufs Korn genommen hatte.
Leider nicht so, wie ich es gern gehabt hätte, denn
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