0349 - Brücke der knöchernen Wächter
Blick über die gesamte Länge des Friedhofs gestattet war. Auch wenn die Umrisse der Gräber sowie die Steine mit der Dunkelheit verschwammen, Bewegungen zwischen ihnen sah ich nicht.
Leer, gespenstisch und verlassen lag der Friedhof vor mir.
Das sollte begreifen, wer wollte, ich nicht. Wie war es nur möglich, daß ich hier auf einem verlassenen Friedhof stand, auf dem ich noch vor Minuten die Reiter gesehen hatte?
Ich hätte sie wegreiten hören müssen. Das war nicht geschehen.
Oder hatte ich mich schon vorher getäuscht? Waren diese komischen Reiter möglicherweise meiner Einbildung entsprungen?
Das konnte sein, wobei ich nicht daran glauben wollte. Was ich gesehen hatte, hatte ich gesehen!
Meine Beretta hielt ich schußbereit, als ich mich aus der Deckung löste und die ersten Schritte wagte. Ich dachte wieder an meine eigentliche Aufgabe, denn ich hatte meinen Freunden versprochen, die Tür zu öffnen, falls das möglich war.
Nur änderte ich den Plan ein wenig und schlug einen Bogen, da ich auf dem Weg zu meinem Ziel noch einen Teil des Friedhofs genauer unter die Lupe nehmen wollte.
Nichts hatte sich verändert. Nach wie vor standen die Grabsteine wie gespenstische Andenken an die in der Erde liegenden Toten. Ich strich auch über das Gestein, fühlte seine Kühle und schaute mir auch einzelne Gräber an.
Flach, manchmal auch schräg, dann wieder erhöht, so lagen sie vor mir. Eine Veränderung hatte ich dabei nicht entdeckt. Ich sah wohl Motive in die Steine eingemeißelt. Mal ein Skelett, auch einen bewaffneten Kämpfer, der zwei Schwerter in den Händen hielt und gegen ein als Tod dargestelltes Skelett schlug.
Die Lebenden wollten den Tod also besiegen. Das entnahm ich diesen Motiven.
War es ihnen tatsächlich gelungen? Für solche Spekulationen fehlten mir Informationen, deshalb dachte ich wieder an meine eigene Aufgabe und schlug nun den direkten Weg zur Eingangstür der Leichenhalle ein.
Zusammen mit Suko und dem Franzosen war ich ihn schon einmal gegangen. Diesmal verhielt ich mich ebenfalls sehr vorsichtig, achtete auf verdächtige Geräusche und vernahm nichts. Es sei denn, ich zählte das Säuseln des Windes hinzu.
Sehr langsam ging ich. Meine Blicke waren überall, und ich sah links von mir die Mauer der Leichenhalle hochwachsen.
Sie kam mir in diesem Augenblick drohend vor, und ich entdeckte trotz der Dunkelheit Spuren auf dem Boden.
Rasch ging ich in die Hocke.
Als ich genauer nachschaute, stellte ich fest, daß ich keiner Halluzination zum Opfer gefallen war, denn die Spuren vor mir zeigten an, daß hier jemand hergeritten war.
Das mußten Pferde oder ähnliche Tiere gewesen sein. Mit der kleinen Lampe leuchtete ich nach und sah die Abdrücke nun deutlicher.
Wohin wiesen die Spuren?
Eigentlich nur in eine Richtung. Das war der Eingang der großen Leichenhalle.
Wenn diese unheimlichen Reiter den Weg genommen hatten, hätten sie auch von Suko und Claude gehört werden müssen. Das schien nicht der Fall gewesen zu sein, ich jedenfalls hatte keine Reaktionen von ihrer Seite her vernommen.
Plötzlich hatte ich es sehr eilig. Ich konnte mir gut vorstellen, daß man meine Freunde unangenehm überrascht hatte, und das gefiel mir überhaupt nicht.
Es dauerte nur mehr Sekunden, bis ich die Tür erreicht hatte und sie zu meiner Überraschung offen fand.
Mir gelang es, einen Blick in die dunkle Leichenhalle zu werfen.
Obwohl dort kein Licht brannte, konnte ich eines sehr deutlich erkennen.
Die Halle war leer!
***
Suko taumelte ein paar Schritte von der Wand weg in die Mitte der Halle und schüttelte seine Arme aus. Die beiden Kletterpartien seines Freundes John Sinclair hatten ihn aus der Puste gebracht, und er mußte sich erst einmal fangen.
Renard war stehengeblieben und schaute zum Fenster hoch, wo Sinclair sich drehte und dann verschwand.
»Das wäre geschafft«, sagte er.
»Ja, ich hoffe nur, daß er die Tür auch aufbekommt. Magische Sprüche funktionieren leider nur in Geschichten wie ›Aladin und die Wunderlampe‹. Hier müssen wir uns auf die Realitäten verlassen.«
»Die sich verändern!« erklärte der Franzose trocken und drehte sich hastig um, so daß er direkt auf den Sarg schauen konnte, dessen Umrisse sich in der Finsternis schwach abzeichneten.
Auch Suko sah in die Richtung, und beiden wurde die Kehle eng, als sie erkannten, daß sich dort etwas tat.
Der Sarg bewegte sich.
Als würde er an für sie nicht sichtbaren Fäden hängen, so glitt er langsam in
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