035 - Party im Blutschloss
widerspricht sich Patsy oft?«
»Das kann man
eigentlich weniger sagen. Eher ist es so, daß sie es nicht fertig bringt, ihre
Sätze im Zusammenhang zu sagen. Sie wirft Dinge bunt durcheinander und gibt
ihnen nicht die richtige Reihenfolge.«
»Lügt sie?«
»Das läßt
sich schwer entscheiden, Mister Brent. Sie sagt manchmal Dinge, die ihrer
Phantasie entspringen - und deshalb nimmt auch niemand ihre Erzählung von den
Geräuschen, die sie angeblich in der Nähe des Schlosses gehört haben will,
ernst .«
»Aber sie war
dort!«
»Ja, daran
gibt es nun keinen Zweifel mehr. Zumal wir ihr selbst mehrere Male gefolgt
sind. Aber das tun wir schon lange nicht mehr. Es wäre vielleicht für sie
gefährlich, würde sie merken, daß wir ständig auf der Lauer liegen. Ihr Zustand
hat sich im allgemeinen während der letzten Jahre gebessert. Sie ist ruhiger,
besonnener geworden.«
Lärry
nickte.. Die letzten Worte schien er gar nicht beachtet zu haben, denn er
sagte: »Sie hat davon gesprochen, daß sie öfters ausgeht. Das könnte bedeuten,
daß sie nicht nur der Vollmond alle vier Wochen aus dem Haus lockt,«
X-RAY-3
sprach mehr zu sich selbst als zu dem Wirt.
Schweigend
gingen die Männer schließlich die Treppenstufen hinab.
»... Sie
haben Fremdenzimmer, McCormick. Ich möchte heute abend nicht weiterfahren. Es
wäre mir lieb, wenn ich in Ihrem Haus bleiben könnte.«
Der Wirt
nickte. »Gern, Mister Brent. Ich werde Ihnen ein Zimmer zurechtmachen lassen.«
Bei einem
weiteren ausgezeichneten Whisky wenig später in der Gaststube dachte Larry über
das Verhalten des schwachsinnigen Mädchens Patsy nach.
Er fragte
sich, ob es einen Sinn hatte, sich näher mit den Aussagen des Kindes und seinem
Verhalten zu beschäftigen, oder ob das Ganze Zeitverlust war.
Jedenfalls
nahm er sich vor, heute nacht nicht zu schlafen.
Er wollte
sehen, ob das Mädchen, ohne daß die Eltern es bemerkten, wieder das Haus
verließ. Ergab sich zufällig die Chance, das Ziel von Patsys nächtlichen
Ausflügen kennenzulerne n, dann mußte er sie nutzen.
Das erschien
zu diesem Zeitpunkt noch als scheinbar sinnlose Reaktion. Aber als Larry wenig
später in seinem Zimmer einen Funkbericht von X-RAY-1 aus New York empfing, da
wurde seihe Miene hart.
Das
Kriminalkommissariat in Glasgow hatte am Abend erfahren, daß ein junger Schotte
namens Hugh Jeffers nicht mehr in seine Wohnung nach Killin zurückgekehrt sei.
Damit war ein zweiter Mann in Killin innerhalb von vierundzwanzig Stunden
überfallig.
Larry Brent
mußte sofort an den Bericht des schwachsinnigen
Mädchens
denken. »Sie hatte von zwei Männern gesprochen!
Hatte sie die
Wahrnehmung erst gestern abend gemacht?
Außer dieser
Mitteilung nahm X-RAY-3 noch die Neuigkeit entgegen, daß er Verstärkung
erhalten sollte.
Iwan
Kunaritschew, der getreue Freund, und Morna Ulbrandson, die charmante,
attraktive Schwedin mit den grünen Nixenaugen, waren nach Schottland
abkommandiert.
Diese
Entscheidung bewies, daß X-RAY-1, der geheimnisvolle unbekannte Leiter der
Psyehoanalytischen Spezialabteilung mit einer Zuspitzung der Situation
rechnete.
Und X-RAY-1,
dem die Auswertung der Computer ständig zur Verfügung standen, hatte sich
bisher noch nie geirrt!
●
Mit dem
letzten Whisky hatte er eine Tablette zu sich genommen, die ihn für die
nächsten zwölf Stunden garantiert munter hielt.
Larry lag
lesend im Bett, immer darauf bedacht, daß ihm kein Geräusch im Haus entging.
Und dann
hörte er, daß die Tür im Stockwerk über ihm leise zuklappte. X-RAY-3 erhob
sich. Er war völlig angezogen. Lauschend löschte er das Licht. Er hörte kaum
etwas. Das Tappen der Schritte war mehr zu ahnen als zu hören.
Im Dunkeln
huschte der Amerikaner aus dem Zimmer, verharrte in der lichtlosen Ecke und
starrte angestrengt in den schmalen Korridor. Eine helle Gestalt kam die Treppe
herab. Patsy! Leise schlich sie durch den Flur, gelangte nach unten zur Hoftür,
zog den Riegel zurück und verschwand im Freien.
Wie ein
Schatten stieg X-RAY-3 hinter dem schwachsinnigen Mädchen her. Patsy
durchquerte den finsteren Hinterhof, in dem der Inhalt der überfüllten
Abfalleimer zum Himmel stank.
Das Mädchen
verließ ohne Furcht und Scheu das Anwesen und trat auf die nächtliche,
menschenleere Straße hinaus.
Hinter sämtlichen
Fenstern war es dunkel.
Am bewölkten
Himmel stand hell der Mond, im Zunehmen begriffen. In zwei Tagen würde Vollmond
sein. Aber offenbar hatte der Mond allein nichts mehr
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