035 - Party im Blutschloss
jenem Blutbad, das der verrückte Schloßbesitzer
vor über vierhundert Jahren hier in einem Anfall von Raserei anrichtete?
Die Ruhe, die
Einsamkeit und das Warten wurden mit einem Mal bedrückend. Lorette Young
vermochte es sich selbst nicht zu erklären, aber plötzlich hatte sie das
Gefühl, nicht mehr allein zu sein! Jemand beobachtete sie, in ihrer
unmittelbaren Nähe lauerte etwas .
Sie merkte,
daß sich feine Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten. Der Star wandte den Kopf
und starrte in die düstere Ecke des großen Raums. Für Bruchteile von Sekunden
kam es der Schauspielerin so vor, als würde sich dort ein Schatten bewegen. War
es nur Einbildung? Das diesige Tageslicht, das durch das hohe Fenster fiel,
bewirkte sicher diesen ungewöhnlichen Eindruck. Draußen regnete es noch immer,
stärker und heftiger als zuvor. Die Tropfen klatschten gegen die alten Mauern,
und vor dem Fenster trommelte und prasselte es herab.
Plötzlich
hatte sie wieder das Gefühl, beobachtet zu werden!
Lorette Young
warf den Kopf hoch. Sie hielt den Atem an. Langsam drehte sie sich um, zog die
Beine an und drückte sich in die Höhe. Sie schluckte. Ihre Blicke gingen an der
Sandsteinfigur des Teufels hoch. Ein leises Schaben und Kratzen dahinter - aber
das war es nicht allein, was sie erschreckte.
Die dunklen
Augenhöhlen der Figur waren - verschwunden! Irgend etwas bewegte sich in den
beiden Löchern. Es waren
richtige
Augen, groß und glänzend!
»Harry? Pit?«
fragte sie leise. »Hört auf mit dem Unsinn.« Sie atmete auf. »Ihr habt mich
ganz schön erschreckt!«
Die Augen
schienen näher zu kommen und füllten nun die beiden Löcher in dem steinernen
Gesicht der Teufelsfigur vollends aus. Erst in diesem Augenblick begriff
Lorette Young, daß diese Augen weder zu Harry P. Reynolds, noch zu Pit Wright
gehörten! Keiner von ihnen hatte so große, unnatürlich glänzende Augen!
Das hier
waren die Augen eines Wahnsinnigen!
Sie schrie,
daß es schaurig durch die Gänge und Räume hallte. Aber niemand hörte sie. Wo
waren Harry und die anderen? Warum kamen sie nicht zurück? Weshalb blieben sie
so lange?
Die
Schauspielerin sprang vom Diwan herunter und achtete nicht auf ihren Fuß. Als
sie auftrat, durchfuhr sie der Schmerz wie eine glühende Nadel. Lorette Young
knackste abermals der Fuß wog, und sie konnte nicht verhindern, daß sie zu
Boden stürzte. Mit schreckgeweiteten Augen starrte sie zu dem steinernen,
verzerrten Gesicht hinauf, in dem wieder die dunklen Löcher gähnten und wo sich
nichts mehr bewegte.
Halluzination?
Sie war
unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Und ihr
Entsetzen kannte keine Grenzen, als irgendwo im Schloß plötzlich eine Tür
geöffnet wurde. Deutlich hörte sie das Quietschen. Ein Luftzug fegte durch den
Gang. Die schwere Tür zum »Roten Salon« bewegte sich und schlug mit
Donnergetöse zu, daß der Mörtel von den Wänden rieselte.
Wie ein
böser, teuflischer Atem streifte sie der kalte Luftzug und verschwand in den
beiden handtellergroßen Löchern im Gesicht der Steinfigur. Dahinter schien ein
Hohlraum zu sein! Der Wind dahinter pfiff und heulte, und sie hörte mit einem
Mal Geräusche, die zuvor nicht dagewesen waren.
Keuchend und
stöhnend versuc hte Lorette Young auf die Beine zu kommen. Ihr Puls flog.
»Harry! Pit!«
schrie sie. Ihre Stimme überschlug sich.
Die
Amerikanerin versuchte die Tür zu erreichen, und sie aufzureißen. Aber dazu kam
sie nicht mehr. Da war etwas im Raum, etwas Fremdes! Nun wurde sie nicht mehr
nur beobachtet, jetzt wurde sie sogar angefaßt!
Angst und
Entsetzen peitschten sie. Ihre Lungen keuchten. Mit einem Male verließen sie
ihre Kräfte. Sie war unfähig, aufzustehen. Eine wendige, schmale,
schattengleiche Gestalt tanzte um sie herum. Gierig streckten sich bleiche
Finger nach ihr aus. Ein letzter gellender Aufschrei kam aus der Kehle der
Schauspielerin. Dann fiel ihr Kopf zur Seite. Ihr Geist verkraftete die
Erscheinung nicht, die wie aus dem Boden gewachsen im »Roten Salon« aufgetaucht
war.
Es schien,
als wäre ein böser Geist gekommen, ein Spuk, der wieder zum Leben erwacht war.
Lorette Young
wurde über den Boden geschleift. Sie merkte es nicht. Neben dem Kaminvorsprung,
im Kernschatten der äußersten Ecke klaffte die Wand so weit auseinander, daß
bequem ein menschlicher Körper durch diesen Spalt paßte.
Die Blondine
verschwand mitsamt der Erscheinung in dem schwarzen Spalt, der sich wie der
Schlund der Hölle im Gemäuer auftat.
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