0353 - Die Vampirkutsche
Ausweise rutschten ihm entgegen. Saranow bat im Begleitschreiben, die Ausweise möglichst nicht zu mißbrauchen und… »All das hat er mir gestern schon am Telefon gesagt«, erklärte Nicole. »Dann wollen wir mal sehen, ob man uns tatsächlich nicht wieder zurückschickt oder am Ende gleich festnimmt.«
Ihre Befürchtungen erwiesen sich als grundlos. Man ließ sie passieren. Das spärliche Gepäck wurde zwar eingehend untersucht, das war aber auch schon alles.
Anschließend begann ein Abenteuer völlig anderer Art.
Des Kuriers und der Ausweise wegen hatten sie nach Bukarest fliegen müssen. Das half ihnen aber wenig; sie mußten über die Südkarpaten nach Tanssylvanien. Bis Tesciu waren es rund 200 Kilometer Luftlinie. Eine Flugverbindung dorthin gab es nicht. Mit der Bahn konnten sie über Plojescht und Kronstadt nach Hermannstadt kommen, aber damit waren sie immer noch nicht in Tesciu. Zamorra war sich gar nicht sicher, ob sie in Hermannstadt einen Mietwagen bekommen würden, und per Taxi wollte er sich auch nicht den Rest der Strecke fahren lassen. Mit einem Taxi waren sie einfach zu unbeweglich.
Er hängte sich ans Telefon. Die Münzen rasselten reihenweise durch. Zwischendurch besorgte Nicole in einer Wechselstube Nachschub. Aber immerhin erfuhr Zamorra nach längerem Palaver, daß sie in Hermannstadt wie auch im etwas weiter entfernten Mühlbach mit Sicherheit keinen Mietwagen bekommen würden. In Siebenbürgen gingen die Uhren eben etwas anders.
»Das ist ja noch richtig Entwicklungsgebiet hier«, murmelte Zamorra. »Man sollte es nicht für möglich halten. Mütterchen Rußland kommt mir da entschieden fortschrittlicher vor.«
Sie suchten eine Mietwagenfirma auf. Als dort bekannt wurde, daß sie bis über die Karpaten wollten, wurde nichts aus dem Geschäft. »Wir verleihen unsere Wagen nicht für so weite Fahrten. Wenn Sie im Stadtgebiet bleiben wollen - gern.«
»Haben Sie Angst, daß wir mit dem Wagen auf Nimmerwiedersehen verschwinden?« fragte Zamorra.
»Durchaus nicht«, sagte ihm der Firmenchef. »Aber es gehört eben zu unseren Geschäftsprinzipien, die Wagen nicht aus dem Stadtbereich zu lassen. Tut mir leid…«
Bei der nächsten Firma sprach Zamorra erst gar nicht von Transsylvanien. Aber als er dann Paß und Kreditkarte vorlegte, wurde ihm dezent bedeutet, daß Mietwagen nicht an Ausländer abgegeben würden…
»Langsam reicht es mir«, sagte er verärgert. »Ich fürchte, wir werden tatsächlich mit der Bahn fahren müssen. Und dann sehe ich’s kommen, daß wir in Hermannstadt oder Mühlbach nicht mal ein Taxi kriegen…«
»Laß mich das mal regeln«, sagte Nicole und versuchte ihr Glück bei der dritten Firma. Die fanden sie aber schon nicht mehr am Flughafen, sondern erst nach einer Taxifahrt durch die halbe Stadt. Vorsichtshalber behielt Zamorra das Taxi da, während Nicole ausstieg und sich um den Mietwagen kümmerte. Nach einer Weile kam sie wieder heraus und reckte den Daumen nach oben.
»Geschafft«, sagte sie. »Wir haben ein Wägelchen und eine kärgliche Benzinzumessung. Mit etwas Glück schaffen wir es wenigstens bis über die Berge.«
Zamorra bezahlte und entließ den Taxifahrer. »Raus mit der Sprache«, sagte er. »Wieviel Bestechungsgeld hast du bezahlt?«
»Keinen einzigen Leu«, sagte Nicole. »Ich habe ein wenig Augenflirt gemacht, meinen ganzen Charme spielen lassen und den Ausweis von Saranow vorgelegt. Dazu habe ich dann etwas von einem wichtigen Forschungsprojekt gemurmelt, aber Ziel und Zweck im Geheimen gelassen. Tja, und nun haben wir den Wagen.«
Es handelte sich bei dem Fahrzeug um einen schon etwas betagten Lada 1500, der hier aber die russische Originalbezeichnung »Shiguli« trug. Zamorra verstaute die Koffer im Kofferraum, faltete sich hinter das Lenkrad, schloß die Tür mit einem satten Knall und bekam die Sonnenblende auf den Schloß.
»Das fängt gut an«, murmelte er. »Ich fürchte, der Wagen ist ziemlich oft verliehen worden. Wieviel Sprit haben wir denn?«
»Den ganzen Tank voll«, versicherte Nicole. »Das reicht für eine Stadtrundfahrt.«
»Hoffentlich auch für 200 Kilometer durch die Berge« unkte Zamorra. »Ich bin mir nicht ganz sicher - ist das Benzin in Rumänien rationiert, oder kann man’s frei kaufen?«
»Mit etwas Verhandlungsgeschick werden wir wohl genug bekommen«, hoffte Nicole. »Vorausgesetzt, die Tankstellen haben selber was. Aber laß uns erst mal nach Tesciu kommen. Bis dahin wird die Tankfüllung wohl reichen.
Weitere Kostenlose Bücher