0353 - Flucht vor dem Grauen
hatte einen entscheidenden Treffer landen können und die Schläge des anderen pariert.
Jetzt suchte ein jeder nach einer neuen Taktik.
Dabei blieben sie nicht ruhig, sondern überschütteten sich gegenseitig mit Vorwürfen.
»Du hast den schlechten Weg gewählt!« klang die Stimme des falschen Engels auf. »Du hättest zu den Großen Alten stoßen sollen und deine Macht wäre unbe…«
»Hör auf!« unterbrach ihn sein Bruder. »Wie ich es getan habe, war es gut. Ich habe auf die stummen Götter gehört. Sie waren zornig und traurig, als sie mit mir über dich sprachen. Du bist derjenige gewesen, der sie enttäuscht hat, und ich habe von deinen und meinen Vätern den Auftrag bekommen, dich zu töten, Bruder. Hast du verstanden? Ich soll dich töten, damit endlich Ruhe herrscht!«
Der falsche Engel lachte nur. »Du weißt ja, daß du mir noch etwas schuldig bist – oder?«
»Und was?«
»Das Pendel!«
»Nein, du bekommst es nicht. In deiner Hand wäre es das schlimmste, was passieren könnte. Ich behalte das Pendel, denn darum habe ich gekämpft. Es steht mir zu.«
»Haben dir das auch unsere Väter gesagt?« höhnte der falsche Engel.
»Sehr richtig.«
»Dann sind es Narren!«
»Du kannst sie nicht beleidigen, denn ich allein weiß, was sie wert sind. Deine Welt ist zerstört worden. Ein unseliger Zufall hat leider dafür gesorgt, daß du überleben konntest. Dem aber will ich nun ein Ende bereiten. Ist das klar?«
Der falsche Engel gab keine akustische Antwort mehr. Statt dessen flog er einen blitzschnellen Bogen und gleichzeitig in die Höhe, weil er sich von seinem Zielpunkt aus senkrecht auf den echten Engel herabfallen lassen wollte.
Das tat er auch, und der echte ließ ihn kommen.
»Wenn das nur gutgeht!« flüsterte Kara. Sie und Myxin hatten alles andere vergessen. Sie sahen auch nicht mehr, welches Drama sich um Krol abspielte, jetzt waren die beiden Kämpfenden wichtiger.
Der echte Engel schien überhaupt nicht zu reagieren. Er wartete wirklich bis zum letzten Augenblick, als sein Bruder bereits zum Schlag ausgeholt hatte.
Erst dann jagte das Schwert des echten Engels in die Höhe und dem des anderen entgegen.
Beide Waffen klirrten so heftig gegeneinander, daß die Arme ihrer Träger zur Seite geschmettert wurden. Beinahe sah es so aus, als würden ihnen die Schwerter aus den Händen rutschen.
Der falsche Engel hatte wirklich alles in diesen Angriff hineingelegt und wurde von der stoppenden Wucht so weit zurückgeschleudert, daß er sogar aus der Reichweite des Schlagarms seines Bruders geriet.
Aber auch der echte Engel konnte den Aufprall nur schwerlich abfangen. Myxin und Kara schauten zu, wie er in die Tiefe sackte und sich erst mit ein paar heftigen Flügelschlägen wieder fing.
Aus dieser Bewegung heraus, ging er allerdings zum Angriff über. Und er nahm den direkten Kurs auf seinen Zwillingsbruder, der sich erst noch von der abwehrenden Attacke erholen mußte.
Der Eiserne war schnell. Plötzlich erschien er vor seinem Zwillingsbruder, und jetzt mußte der parieren.
Wieder knallten die beiden Schwerter gegeneinander. Abermals lösten sich von den Klingen Funkenspuren, die wie Halbkreise in den Himmel stiegen und irgendwo verglühten.
Sofort hatte sich der echte Engel gedreht, vollführte in der Luft eine Rolle und kam von unten her.
Er wollte seinen Bruder aufspießen.
Der drehte sich blitzschnell ab, so daß der gut gezielte Stich ins Leere ging. Noch in der Drehung konterte er. Sein Schwert beschrieb einen Kreisbogen, so daß der echte Engel gedankenschnell den Kopf einziehen mußte, um nicht getroffen zu werden.
Ein schauriges Lachen hallte über den Himmel. Der falsche Engel hatte es ausgestoßen. Er setzte wieder nach, jagte hinter seinem Bruder her und trieb diesen in die Defensive.
Er mußte fliehen.
Kara war sehr besorgt. »Wenn das mal gutgeht!« flüsterte sie Myxin zu. »Sollen wir nicht doch eingreifen?«
»Auf keinen Fall!« wehrte dieser schroff ab. »Das ist eine Sache zwischen den beiden, gewissermaßen unter Verwandten. Wir dürfen uns da nicht einmischen!«
»Du hast recht!« stöhnte Kara.
Und beide sahen zu, wie ihr Freund die Flucht ergreifen mußte, verfolgt von seinem Bruder.
Die beiden konnten ungefähr gleich schnell fliegen. Da der echte Engel einen kleinen Vorsprung besaß, war es dem falschen praktisch nicht möglich, ihn einzuholen.
Aber er griff zu einem Trick.
Urplötzlich tauchte und flog er nach rechts weg, um einen Bogen
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