0354 - Gruft der wimmernden Seelen
Oder sich zuerst nach dem Würfel bücken, um ihn wegzunehmen.
Es trat etwas ein, womit Jane Collins nicht gerechnet hatte.
Die Seelen meldeten sich.
Nicht mehr so laut wie beim erstenmal vernahm Jane das scheußliche Wimmern der Gesichter. Sie hatte das Gefühl, Mittelpunkt eines Totenchores zu sein, dessen Stimmen durch Filter überlagert wurden.
Auch Suko mußte sie hören, und Jane war gespannt, wie er reagieren würde.
Bekam sie eine Galgenfrist, oder würden ihr die Gesichter in den Wänden vielleicht helfen?
Die ehemalige Hexe hoffte auf die zweite Möglichkeit, und sie drückte sich selbst die Daumen.
Die Stimmen jammerten weiter, während Jane in der tiefen Finsternis des Sargs lag.
Sie hielt den Atem für einen Moment an, bewegte die Beine und spürte, daß die Füße des unter ihr liegenden Toten auch mitbewegt wurden.
Sie schauderte.
Und dann reagierte der Würfel des Unheils!
Plötzlich wich die Finsternis. Es war kein direkter Lichtschein, der das Innere des Sargs erfüllte, aber der Würfel hatte die Magie eingefangen und war dabei sie abzugeben.
Gleichzeitig auch das Licht.
Ein dunkles, ein violettes Licht, das mehr Schatten als Helligkeit brachte und dennoch die Finsternis so weit zurücktrieb, daß Jane Collins etwas erkennen konnte.
Sie sah die düsteren Wände, und sie sah auch einen Teil des toten Körpers unter sich. Es waren die nackten Füße, die sich schattengleich in Höhe ihrer Knöchel abhoben.
Die Zehen standen nach oben, während Jane mit ihren eigenen Füßen neben ihnen lag.
Der Würfel gab magische Energie ab. Jane sah, daß die Schlieren sich bewegten, und ihr kam der Gedanke, daß sie ja die Besitzerin des Würfels war und ihn auch entsprechend behandeln oder einsetzen konnte.
Eine sehr mächtige Waffe war ihr in die Hand gegeben worden.
Weshalb sollte sie die Kräfte des Würfels nicht ausnutzen?
Die Stimmen schrien noch immer. Ein wahrer Totengesang hüllte die Gruft ein, von dem sich Jane Collins aber nicht beirren ließ, denn sie hatte andere Sorgen.
Plötzlich versteifte sie sich, denn sie hatte die Geräusche vernommen. Jemand machte sich an ihrem Sarg zu schaffen. Nur Sekunden noch, dann würde der Deckel in die Höhe klappen.
Jane wartete mit angehaltenem Atem.
Ein Ruck, und das Oberteil des Sargs schwang hoch. Jetzt gab es keine Rettung mehr für sie.
Erkennen konnte die Detektivin nichts, aber sie vernahm die triumphierende und zischende Stimme.
»Hab ich dich!«
Suko hatte gesprochen…
***
Das Blut rann aus den Augen. Der Anblick hatte uns beide geschockt. Meine Nerven waren die besseren, während Shao ihren Oberkörper nach hinten gedrückt und die Hände vor ihr Gesicht geschlagen hatte, weil sie den Schrecken einfach nicht sehen wollte.
Ich wußte nicht, weshalb der Pilot auf diese schlimme Art und Weise umgekommen war, für mich stand nur fest, daß der Spuk seine Hände im Spiel hatte.
»Bleib du sitzen!« schrie ich Shao zu, während ich schon meinen Platz verließ, die Hände in die Lederkleidung an den Schultern des Piloten vergrub und den Mann mit einem Ruck auf den Nebensitz wuchtete. Den Gurt hatte ich schon zuvor gelöst.
Jetzt war der andere Sitz frei.
Ich kletterte auf ihn, während die Maschine gleichzeitig verrückt spielte. Zum Glück fiel sie nicht dem Boden entgegen, sondern stieg in die Höhe. Wieso das geschah, darüber machte ich mir keine Gedanken, wahrscheinlich wollte der Spuk mit uns spielen, bevor er uns endgültig vernichtete.
Hinter mir hörte ich Shaos angstvolle Stimme. »John, was willst du tun?«
»Landen!« knirschte ich und schaute auf die Instrumententafel.
Da spielten einige Zeiger verrückt. Die Höhenanzeige stimmte wohl nicht mehr, und die Maschine bekam auch mehrere Stöße ab.
Ich schaute durch die Scheibe.
Nichts konnte ich sehen. Keinen Hang, keine Berge, auch nicht mehr die Klostermauern, die schwarze Wolke des Spuks hielt uns umfangen wie ein Gefängnis.
Da gab es keinen Ausweg.
Und dann vernahm ich ein Geräusch, das mir einen Schauer über den Rücken trieb.
Die Rotorblätter begannen zu stottern. Nur hin und wieder flapperten sie auf, als würden sie von einer stoppenden Hand nur intervallweise freigegeben.
Ich saß starr da, hielt den Atem an und rechnete jeden Augenblick damit, zusammen mit Shao und der Maschine wie ein Stein in die Tiefe zu stürzen, um auf irgendeinem Felsen zu zerschmettern.
Das Ereignis trat nicht ein.
Dafür überfiel uns die Stille.
Scharf atmete ich
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